Neu entdecktes Organ von Kopfspeicheldrüsen?

Compu­ter­to­mo­gra­fische Aufnahme des Kopf-Hals-Bereiches. Foto: Colourbox

Neu entdecktes Organ von Kopfspeicheldrüsen?

Renom­mierte Wissen­schaftler der Univer­si­täts­me­dizin Jena, Leipzig und Erlangen stellen eine nieder­län­dische Studie infrage, welche die Entde­ckung eines neuen Organs von Kopfspei­chel­drüsen behauptet. Die Experten der Hals-Nasen-Ohren­heil­kunde, Patho­logie, Nukle­ar­me­dizin und Anatomie vertreten die Ansicht, dass es sich bei dem »neu entdeckten Organ« um eine längst bekannte Anhäufung von kleinen Speichel­drüsen handelt. Die Stellung­nahme ist jetzt veröffentlicht.

Ein medizi­ni­sches Fachjournal und führende Medien in Deutschland wie auch die New York Times berich­teten im Oktober, dass Krebs­for­scher aus Amsterdam ein neues Organ gefunden hätten. Ein bislang unbekanntes Paar an Speichel­drüsen an der sogenannten Tuben­öffnung, dem Ende einer Verbindung der Pauken­höhle zum Nasen-Rachen-Raum, sei erstmals in positronen-emissi­ons­to­mo­gra­phi­schen (PET) Unter­su­chungen aufgefallen.

»Speichel­drüsen an dieser Stelle im Nasen-Rachen-Raum sind mir aus Standard­lehr­bü­chern für Studie­rende der Human­me­dizin bekannt«, so Prof. Dr. Ingo Bechmann, Direktor des Instituts für Anatomie der Univer­sität Leipzig. Bechmann kontak­tierte seinen Kollegen Prof. Dr. Friedrich Paulsen, Direktor des Instituts für Funktio­nelle und Klinische Anatomie der FAU Erlangen-Nürnberg, ein inter­na­tional renom­mierter Experte für Drüsen des Kopfes, sowie den Direktor der Klinik für Hals-Nasen- und Ohren­heil­kunde des Univer­si­täts­kli­nikums Leipzig, Prof. Dr. Andreas Dietz. Dieser hatte parallel mit seinem Fachkol­legen Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für HNO-Heilkunde am Univer­si­täts­kli­nikum Jena, Kontakt aufge­nommen, welcher bereits eine Richtig­stellung entwarf. Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro, Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschir­urgie des Uni-Klinikums Erlangen, und Prof. Dr. Lars Bräuer, stell­ver­tre­tender Direktor des Instituts für Funktio­nelle und Klinische Anatomie der FAU Erlangen-Nürnberg, weisen sie nun in einer Publi­kation in der Fachzeit­schrift Laryngo-Rhino-Otologie darauf hin, dass dieses »neue Organ« als eine Ansammlung von Speichel­drüsen an dieser Stelle mindestens seit 1866 geläufig und wiederholt in der wissen­schaft­lichen Literatur und in Lehrbü­chern beschrieben worden sei.

»Neben den sechs großen Speichel­drüsen befinden sich Hunderte kleine Speichel­drüsen in der Schleimhaut von Mundraum, Lippen und Rachen. Dass es Ansamm­lungen von Speichel­drüsen auch im Nasen­rachen und in der Nähe der Luftröhre gibt, wurde schon vor 150 Jahren beschrieben«, erläutert Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius. Der Erstautor der Stellung­nahme ergänzt: »Diese bei der Bestrah­lungs­planung zu berück­sich­tigen, ist ein wichtiger Hinweis, der die Mundtro­ckenheit als Neben­wirkung einer Bestrahlung vermindern helfen kann. Dazu sind weitere Unter­su­chungen notwendig.«

Rund 800 bis 1.000 dieser kleinen Drüsen sind im und um das Gewebe der Schleimhaut von Lippen, Mundhöhle, Nase und dem Mittelohr in unter­schied­licher Dichte verteilt. In der Regel sind sie nicht sichtbar und auch eine konven­tio­nelle Bildgebung ist nicht in der Lage, diese Drüsen darzu­stellen. Auffällig werden sie nur im Fall einer Erkrankung, beispiels­weise bei Tumoren oder Zysten, die wiederum im Nasen-Rachen-Raum äußerst selten auftreten. Die wissen­schaft­liche Stellung­nahme ist nun im Georg Thieme Verlag erschienen. Auch ein privates Institut für Patho­logie in München war daran beteiligt.

Origi­nal­ver­öf­fent­li­chung, Georg Thieme Verlag KG:

Laryngo-Rhino-Otol. »Gibt es eine neue Kopfspei­chel­drüse? – Eher nicht!«, doi 10.1055/a‑1307–3872

Origi­nal­ver­öf­fent­li­chung der nieder­län­di­schen Studie, Fachzeit­schrift Radio­therapy and Oncology:

»The tubarial salivary glands: A potential new organ at risk for radio­therapy«, doi:10.1016/j.radonc.2020.09.034

Origi­nal­pu­bli­kation:

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a‑1307–3872

Textquelle: Susann Huster, Univer­sität Leipzig

Bildquelle: Compu­ter­to­mo­gra­fische Aufnahme des Kopf-Hals-Bereiches. Foto: Colourbox