Mausneuronen und Mitochondrien. Foto: Elisa Motori
Nervenzellen mit Energie-Sparprogramm
Nervenzellen benötigen viel Energie und sind deshalb besonders von Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, abhängig. Bei verschiedenen vererbten aber auch alterungsbedingten neurodegenerative Erkrankungen, wie zum Beispiel Parkinson, können Schäden an den Mitochondrien auftreten. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln und Karolinska Institutet in Stockholm haben nun entdeckt, dass Nervenzellen, entgegen der gängigen Glaubenssätze, ihren Stoffwechsel anpassen und somit Schäden von den Mitochondrien abwenden können. Damit können sich diese wichtigen Zellen vor dem Absterben schützen und weiter ihre Aufgaben im Gehirn erfüllen.
Mehr und mehr Untersuchungen zeigen, dass Störungen der Mitochondrien mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie zum Beispiel Parkinson, Ataxien und peripheren Neuropathien zusammenhängen. Wodurch diese Funktionsstörungen der Mitochondrien verursacht werden, ist im Detail noch nicht bekannt. »Bislang war man der Ansicht, dass Nervenzellen ihren Energiestoffwechsel kaum oder gar nicht an sich wandelnde Bedingungen anpassen können«, sagt Elisa Motori, die Hauptautorin der neuen Studie. »Allerdings scheinen einige neurologische Erkrankungen solche mitochondrialen Dysfunktionen über längere Zeiträume tolerieren zu können. Wir haben uns deshalb überlegt, ob diese gestressten Nervenzellen nicht doch ein Stoffwechselprogramm besitzen, mit dem sie das geringere Energieangebot ausgleichen können.«
Zu diesem Zweck haben die Forschenden degenerierende Nervenzellen aus dem Gehirn von Mäusen mit einer neuen Technik isoliert und sämtliche Proteine – das sogenannte Proteom – dieser Nervenzellen analysiert. »Unsere Daten zeigen, dass Nervenzellen ein eigenes, genau koordiniertes Stoffwechselprogramm besitzen, das als Reaktion auf eine mitochondriale Dysfunktion aktiviert wird«, erklärt Motori.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben darüber hinaus eine Umstellung des Stoffwechsels identifiziert, die sogenannte Anaplerose (hier wird der Krebszyklus zusätzlich mit Stoffwechselintermediaten aufgefüllt), die Nervenzellen gegenüber einer ansonsten rasch fortschreitenden Degeneration unempfindlich macht. Diese Form der Anpassung ist bisher nur in peripheren Geweben – oder in Stützzellen (Gliazellen) im Gehirn vermutet worden. »Wenn wir die Anaplerose blockieren, beschleunigt sich der Abbau der Nervenzellen und die Krankheit verläuft schwerer. Die Krebszyklus-Anaplerose schützt also die Nervenzellen vor Schädigungen«, sagt Motori. Diese neuen Erkenntnisse könnten uns dabei helfen, Nervenzellen von Patienten mit mitochondrialen und neurodegenerativen Erkrankungen vor dem Absterben zu bewahren.
Originalpublikation:
Motori, E., Atanassov, I., Kochan, S.M.V., Folz-Donahue, K., Sakthivelu, V., Giavalisco, P., Toni, N., Puyal, J., and Larsson, N.-G. (2020). Neuronal metabolic rewiring promotes resilience to neurodegeneration caused by mitochondrial dysfunction. Sci Adv, eaba8271.
Textquelle: Dr. Gabriella Lundkvist, Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns
Bildquelle: Mausneuronen und Mitochondrien. Foto: Elisa Motori