Hitzetage gefährden die Gesundheit der Kinder

Unbeschwertes Famili­enfest im Sommer. Sonnige Hitzetage und ‑perioden führen zwangs­läufig zu einer deutlich stärkeren UV-Strahlung und damit auch zur Belastung der kindlichen Haut. Foto: Cupofjoy, Lizenz CC0

Hitzetage gefährden die Gesundheit der Kinder

Den vom Deutschen Wetter­dienst (DWD) erhobenen Wetter­daten zufolge befindet sich Deutschland im Klima­wandel: Hitze­wellen von mindestens drei Hitze­tagen >30°C in Folge und tropisch warme Nächte mit >20°C treten deutlich häufiger auf als früher. Diese für Kinder und Jugend­liche proble­ma­tische, sommer­liche Lebenswelt erfordert präventive Maßnahmen sowohl im familiären und Wohnumfeld als auch in Kinder­gärten, Kinder­ta­ges­stätten und Schulen. Die GPA fordert deshalb, dass Eltern, Erzieher, Lehrer, Sport­lehrer und Übungs­grup­pen­leiter entspre­chend fortge­bildet werden müssen, um vorbeugend handeln zu können. Kommunen und freie Träger müssen für flexible Verschat­tungs­mög­lich­keiten innen und außen sorgen.
Um eine Aussage treffen zu können, ob die Tempe­ratur einer Jahreszeit (ein 3‑Monatsmittel, im Folgenden auch Saison genannt) im Vergleich zu den Werten vergan­gener Jahre höher oder niedriger ist, eignet sich die Betrachtung von Anomalien. Eine Anomalie beschreibt die Abwei­chung einer Größe von ihrem Mittelwert. In der Jahres­zei­ten­vor­hersage wird als Mittelwert ein Klima­mittel verwendet. Hier sehen Sie die aktuelle Vorhersage für die Monate August, September und Oktober 2020. Quelle: DWD, MPI‑M, UHH vom 1. Juli 2020

2018 war mit einer Mittel­tem­pe­ratur von 10,5 °C das bisher wärmste Jahr in Deutschland seit dem Beginn regel­mä­ßiger Aufzeich­nungen im Jahr 1881. Mit 75 Sommer­tagen (Tage mit Tmax ≥ 25 °C) lag das Jahr deutlich über 2003 mit 62 Tagen, die Anzahl heißer Tage (mit Tmax ≥ 30 °C) lag 2018 im bundes­weiten Mittel bei 20 (1).

2019 war mit einer Mittel­tem­pe­ratur von 10,3 °C zusammen mit dem Jahr 2014 das bisher zweit­wärmste in Deutschland beobachtete Jahr. Mit 52 Tagen wurde die 3.-höchste Anzahl von Sommer­tagen seit 1951 beobachtet. Insgesamt wurden 17 heiße Tage gezählt, ferner erstmalig das Überschreiten der 40 °C‑Schwelle an drei aufein­an­der­fol­genden Tagen (24.- 26. Juli 2019) und ein neuer deutscher Tempe­ra­tur­rekord (42,6 °C am 25. Juli in Lingen) (2). Der April 2020 war der sonnigste Monat seit Aufzeich­nungs­beginn im Jahre 1951 und der siebt­wärmster seit 1901 (3).

Die vom Deutschen Wetter­dienst (DWD) erhobenen Wetter­daten zeigen: Deutschland befindet sich im Klima­wandel. Hitze­wellen von mindestens 3 Hitze­tagen >30°C in Folge und tropisch warme Nächte mit > 20°C treten häufiger auf als früher und ihre Auftre­tens­wahr­schein­lichkeit und ‑häufigkeit wird mit dem fortschrei­tenden Klima­wandel weiter ansteigen. Die längere Sonnen­schein­dauer bewirkt neben der Hitze auch steigende Ozonkon­zen­tra­tionen und UV-Belas­tungen der Haut.

Hitze­wellen sind für Säuglinge und Klein­kinder bis 4 Jahren gesund­heitlich besonders relevant (4), da ihre Thermo­re­gu­la­ti­ons­fä­higkeit noch nicht voll ausge­prägt ist. Disku­tiert wird dies damit, dass der Körper zur Wärme­ab­leitung aufgrund des Verhält­nisses Körper­ober­fläche zu Körper­masse mehr leisten muss und die Schweiß­pro­duktion geringer ist. Säuglinge und Klein­kinder neigen somit eher zur Überhitzung als ältere Kinder, Jugend­liche oder gesunde Erwachsene.

Zwar adaptiert sich der Organismus bis zu einem gewissen Grad an höhere Tempe­ra­turen, diese Anpas­sungs­leistung bewegt sich jedoch nur in einem kleinen Tempe­ra­tur­be­reich. Dabei spielt die Luftfeuch­tigkeit für die Hitze­be­lastung eine zusätzlich wesent­liche Rolle. Die Wärme­ab­leitung über die Haut bzw. die Schweiß­bildung ist bei hoher Luftfeuch­tigkeit deutlich erschwert bzw. kaum möglich.

Kinder sind auch durch den Wärme­insel­effekt der Innen­städte belastet; diese können bis zu 10°C wärmer als im Umland werden. Nachts sinken dort die Tempe­ra­turen weniger schnell und stark mit dem Effekt der tropi­schen Nächte mit Lufttem­pe­ra­turen >20°C.

Eine längere Sonnen­schein­dauer mit ihrer UV-Strahlung bewirkt zusätzlich einen deutlichen Anstieg der Ozonkon­zen­tration. Voraus­setzung dafür sind die mit mehr als 80 % aus dem fossil betrie­benen Verkehr und der Energie­pro­duktion stammenden Stick­stoff­dioxid (NO2) ‑Emissionen (5). Denn die UV-Strahlung spaltet das NO2 auf in NO + ein O‑Radikal, das sich dann rasch mit normalem Sauer­stoff (O2) zu Ozon (O3) verbindet. Das in verkehrs­reichen Städten entste­hende Ozon wird durch die Luftströmung in die ländliche Umgebung verweht, wo es im Gegensatz zur Stadt beim gerin­geren abend­lichen Berufs­verkehr nicht wieder zu O2 reduziert wird. Zudem führen die hohen Tempe­ra­turen zu einer gerin­geren Ozonauf­nahme von Pflanzen, da diese dann ihre Blätter­poren schließen, um Wasser zu sparen (5). Dies erklärt im Wesent­lichen die scheinbare Paradoxie, dass 2018 die durch­schnitt­lichen Ozonkon­zen­tra­tionen in ländlichen Gebieten mit 64 µg/m³ deutlich über den Stadt­ge­bieten mit 50 µg/m³ liegen und seit mehr als 23 Jahren in beiden angestiegen sind (6).

Ab Ozonkon­zen­tra­tionen über 120 µg/m³ kann es zu akuten Atembe­schwerden mit Husten, Engegefühl in der Brust und Atemnot kommen, also zu akuten Asthma­an­fällen vor allem bei vorer­krankten Menschen (7). Der sog oxidative Stress des O3 verur­sacht akute Schleim­haut­rei­zungen bzw. ‑entzün­dungen. Dauerhaft bestehende Ozonbe­las­tungen, auch unter 120 µg/m³, führen zu chroni­schen Schäden des elasti­schen Binde­ge­webes der Lunge mit einge­schränkter Lungen­funktion und bei Kindern bis zur Pubertät zu vermin­dertem Lungen­wachstum und Verschlech­terung eines Asthma bronchiale (8).

Sonnige Hitzetage und ‑perioden führen zwangs­läufig zu einer deutlich stärkeren UV-Strahlung und damit auch zur Belastung der kindlichen Haut. Diese ist dünner, empfind­licher und weniger verhornt als die Haut von Erwach­senen, sie erfährt 80% der Gesamt-UV-Lebens­be­lastung vor dem 18. Lebensjahr (9)! Daher erhöhen auch vermeintlich harmlose Sonnen­brände »nur mit Hautrötung« und ohne Blasen­bildung in der Kindheit und frühen Jugend das Risiko für die spätere Entwicklung von Hautkrebs deutlich. Diese Folgen werden oft erst nach Jahrzehnten sichtbar. Deshalb ist der vorbeu­gende UV-Schutz in der Kindheit und Jugend besonders wichtig und nachhaltig wirksam!

Diese für Kinder und Jugend­liche proble­ma­tische, sommer­liche Lebenswelt erfordert präventive Maßnahmen sowohl im familiären und Wohnumfeld als auch in Kinder­gärten, KiTas und Schulen. Die GPA fordert deshalb, dass Eltern, Erzieher, Lehrer, Sport­lehrer und Übungs­grup­pen­leiter entspre­chend fortge­bildet werden müssen, um vorbeugend handeln zu können. Körper­liche Aktivi­täten wie Spielen und Sport außer Haus, Tages­aus­flüge mit Wande­rungen etc. sollten bei Hitze­tagen >30°C bis 12 Uhr mittags abgeschlossen, konse­quentes Trinken von kühlem Leitungs­wasser jederzeit möglich sein. Nicht zuletzt muss in der Tages­be­treuung für eine wasser­reiche und leichte Kost mit viel Gemüse und Obst gesorgt sein!

Ferner müssen die kommu­nalen und freien Kinder­gärten- und Schul­träger für flexible Verschat­tungs­mög­lich­keiten der Innen­räume wie teilweise auch im Außen­be­reich (Sonnen­segel, Bäume etc.) sorgen, wie sie bislang nur in mediter­ranen Ländern nötig gewesen sind. Denn nur so können geeignete Abküh­lungs­mög­lich­keiten geschaffen und genutzt werden!

Zur raschen Infor­mation für alle sind Wetter-Apps geeignet, bei denen die Tempe­ra­tur­ent­wicklung über den Tag angezeigt wird und meistens der UV-Index integriert ist, so dass ein angemes­sener Schutz vor UV-Strahlung z. B. durch Sonnen­cremes und Spezi­al­kleidung möglich ist. Der UV-Index mit ausführ­lichen Begleit­in­for­ma­tionen sowie praxisnahe Tipps zum wirksamen Sonnen­schutz sind beim Bundesamt für Strah­len­schutz zu finden. Vorteilhaft am UV-Index ist: er wird weltweit gleich inter­pre­tiert, sodass er auch sehr gut bei Urlauben zu benutzen ist (10). Über die aktuellen Ozonwerte infor­miert die UBA-App Luftqua­lität (11).

Literatur:

1. https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimastatusbericht/publikationen/ksb_2018.html?…

2. https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimastatusbericht/publikationen/ksb_2019.pdf?_…

3. https://www.dwd.de/DE/leistungen/pbfb_verlag_monat_klimastatus/monat_klimastatus…

4. Smith CJ. Pediatric thermo­re­gu­lation: Conside­ra­tions in the face of global climate change. Nutrients. 2019;11(9):15–8.

5. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/doku…

6. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/7_a…

7. https://www.jacionline.org/action/showPdf?pii=S0091-6749%2819%2931185–6

8. Frischer T, Studnicka M, Gartner C, Tauber E, Horak F, Veiter A, Spengler J, Kühr J, Urbanek R. Lung function growth and ambient ozone: a three-year population study in school children. AM J RESPIR CRIT CARE MED 1999;160:390–396.

9. Lehmann P, Klima­wandel – Wirkungen der Sonnen­strahlung und Möglich­keiten des Sonnen­schutzes ; http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Bildungsmodule-Aerzte/de/bildungsmodule-aerz…

10. https://www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/uv_node.html

11. https://www.umweltbundesamt.de/app-luftqualitaet

Textquelle: Dr. Ulrich Kümmel, Gesell­schaft für Pädia­trische Aller­go­logie und Umwelt­me­dizin e. V.

Bildquelle: (oben) Unbeschwertes Famili­enfest im Sommer. Sonnige Hitzetage und ‑perioden führen zwangs­läufig zu einer deutlich stärkeren UV-Strahlung und damit auch zur Belastung der kindlichen Haut. Foto: Cupofjoy, Lizenz CC0

Bildquelle: (unten) Um eine Aussage treffen zu können, ob die Tempe­ratur einer Jahreszeit (ein 3‑Monatsmittel, im Folgenden auch Saison genannt) im Vergleich zu den Werten vergan­gener Jahre höher oder niedriger ist, eignet sich die Betrachtung von Anomalien. Eine Anomalie beschreibt die Abwei­chung einer Größe von ihrem Mittelwert. In der Jahres­zei­ten­vor­hersage wird als Mittelwert ein Klima­mittel verwendet. Hier sehen Sie die aktuelle Vorhersage für die Monate August, September und Oktober 2020. Quelle: DWD, MPI‑M, UHH vom 1. Juli 2020