Gedächt­nis­training für das Immunsystem

Blick auf die Alte Univer­sität Würzburg, Domer­schul­straße. Foto: Robert Emmerich / Uni Würzburg

Gedächt­nis­training für das Immunsystem

Nach einer Infektion merkt sich das Immun­system den Krank­heits­er­reger und kann deshalb bei einer erneuten Infektion schnell reagieren. Wissen­schaftler der Univer­sität Würzburg haben jetzt neue Details dieses Vorgangs entschlüsselt.

Wenn Krank­heits­er­reger in den mensch­lichen Körper eindringen, setzt dies in der Regel eine Kaskade von Reaktionen in Gang. Unter anderem werden in den Lymph­knoten spezi­fische Zellen des Immun­systems, sogenannte T‑Zellen aktiviert, die sich anschließend teilen und vermehren. Gleich­zeitig entwi­ckeln diese Zellen bestimmte Funktionen, die sie dazu in die Lage versetzen, andere Zellen, die beispiels­weise von einem Virus befallen sind, zu zerstören. Zusätzlich produ­zieren sie spezielle Proteine – sogenannte Zytokine –, mit deren Hilfe sie die Vermehrung der Krank­heits­er­reger stoppen können.

Das Immun­system und seine Funkti­ons­weise steht im Zentrum der Forschung von Professor Wolfgang Kasten­müller, Inhaber des Lehrstuhls für System­im­mu­no­logie I an der Julius-Maximi­lians-Univer­sität Würzburg (JMU). Gemeinsam mit Professor Georg Gasteiger, Inhaber des Lehrstuhls für System­im­mu­no­logie II, leitet er die Max-Planck-Forschungs­gruppe für System­im­mu­no­logie. Forschungs­schwer­punkt dort ist das Wechsel­spiel des Immun­systems mit dem Organismus, insbe­sondere die Inter­aktion verschie­dener Zellen des Immun­systems in lokalen Netzwerken und mit Zellen anderer Organsysteme.

Schema­tische Darstellung der Funktion von BATF3. In der oberen Hälfte sind die physio­lo­gische Funktion und die Konse­quenzen zu sehen, wenn dieser Faktor fehlt (knockout). Dr. Marco Ataide
Publi­kation in Nature Immunology

Jetzt haben Kasten­müller und sein Team neue Details der Arbeits­weise des Immun­systems entschlüsselt, die von Bedeutung sind, damit sich der Körper an frühere Infek­tionen erinnern kann. Ihre Ergeb­nisse haben sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeit­schrift Nature Immunology veröf­fent­licht. Diese könnten dazu beitragen, die Immun­the­rapie zur Behandlung von Tumor­er­kran­kungen zu verbessern.

»Wenn sich der Körper erfolg­reich gegen einen Krank­heits­er­reger zur Wehr gesetzt und diesen elimi­niert hat, sterben die meisten der zuvor expan­dierten T‑Zellen wieder ab, da sie nicht mehr benötigt werden«, erklärt Wolfgang Kasten­müller. Etwa fünf bis zehn Prozent dieser Zellen überleben aber und entwi­ckeln sich zu einer dauer­haften »Gedächt­nis­po­pu­lation«, die vor zukünf­tigen Infek­tionen schützen kann.

Das immuno­lo­gische Gedächtnis verbessert

»In unserer aktuellen Arbeit haben wir einen Transkrip­ti­ons­faktor identi­fi­ziert, der spezi­fisch das Überleben dieser Zellen und damit den Übergang zu einer Gedächt­nis­antwort reguliert«, beschreibt Kasten­müller das zentrale Ergebnis der jetzt veröf­fent­lichten Studie. Dessen Name: BATF3. Wie die Wissen­schaftler in ihren Experi­menten zeigen konnten, wird dieser Faktor nur kurz nach der anfäng­lichen Aktivierung der T‑Zellen produ­ziert. Fehlt er hingegen, ist die Gedächt­nis­antwort dauerhaft gestört.

»Bisher war nicht klar, welche Rolle dieser Faktor für sogenannte CD8+ T‑Zellen spielt«, so Kasten­müller. Als die Forscher diesen Faktor jedoch verstärkt in CD8+ T‑Zellen expri­mierten, zeigte sich, dass deren Überleben und entspre­chend das immuno­lo­gische Gedächtnis signi­fikant verbessert wurden.

Die neue Studie ist in enger Zusam­men­arbeit mit der Medizi­ni­schen Klinik II des Würzburger Univer­si­täts­kli­nikums entstanden. Sie kombi­niert die Grund­la­gen­for­schung mit der angewandten Medizin und könnten dazu beitragen, bessere Therapien zur Behandlung von Krebs zu entwi­ckeln, die dafür das Immun­system der Erkrankten nutzen – sogenannte CAR-T-Zelltherapien.

Bei der CAR-T-Zellthe­rapie werden T‑Zellen aus dem Blut der Patienten extra­hiert und genetisch mit Chimären-Antigenrezeptor-(CAR)-Molekülen umgebaut. Diese Verän­derung versetzt die T‑Zellen in die Lage, Krebs­zellen anzugreifen, für die sie vorher bioche­misch blind waren. Die umgebauten T‑Zellen werden dem Patienten anschließend wieder zugeführt. Aktuell werden CAR-T-Zellen zum Beispiel für die Therapie von B‑Zell-Lymphomen, einer bösar­tigen Erkrankung des lympha­ti­schen Systems – sehr erfolg­reich einge­setzt. Kasten­müller und sein Team planen jetzt in Kolla­bo­ration mit Professor Michael Hudecek, Medizi­nische Klinik II, diese CAR-T-Zellen zu modifi­zieren, um deren Überleben im Patienten zu verbessern und damit die thera­peu­tische Effizienz zu erhöhen.

Origi­nal­pu­bli­kation:

»BATF3 programs CD8+ T cell memory«. Marco A. Ataide, Wolfgang Kasten­müller et al. Nature Immunology, 28. September 2020. DOI: 10.1038/s41590-020‑0786‑2. https://www.nature.com/articles/s41590-020‑0786‑2

Textquelle: Gunnar Bartsch, Julius-Maximi­lians-Univer­sität Würzburg

Bildquelle: (oben) Blick auf das Alte Univer­si­täts­ge­bäude in Würzburg. Foto: Uni Würzburg

Grafik­quelle: Schema­tische Darstellung der Funktion von BATF3. In der oberen Hälfte sind die physio­lo­gische Funktion und die Konse­quenzen zu sehen, wenn dieser Faktor fehlt (knockout). Grafik: Dr. Marco Ataide