Wiggers-Diagramm der Vorgänge im linken Herzteil während zweier Herzzyklen. Grafik: Dietzel65, wikipedia.org – Lizenz: CC BY-SA 2.5
Diabetesmedikamente gegen Herzschwäche?
Die chronische Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt, ist für mehr als 460.000 Krankenhauseinweisungen in Deutschland verantwortlich. Das sind so viele wie bei keiner anderen Krankheit. Erkrankte Patienten erleben außerdem eine enorme Einschränkung ihrer Lebensqualität und auch die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu versterben, ist enorm hoch. Doch eine überraschende Entwicklung macht Patienten und Ärzten seit einer Weile Hoffnung: Zwei Medikamente, die eigentlich zur Diabetes-Behandlung entwickelt wurden, haben sich als sehr wirksame Medikamente gegen die Herzinsuffizienz erwiesen. In Studien wurde die Wirksamkeit dieser Präparate nun eindrucksvoll nachgewiesen.
Eine chronische Herzinsuffizienz entsteht meist als Folge anderer kardiovaskulärer Erkrankungen wie Bluthochdruck, einer koronaren Herzerkrankung und insbesondere nach Herzinfarkten oder Herzmuskelentzündungen. Außerdem gibt es eine genetische Vorbelastung bei manchen Formen der Herzmuskelerkrankung (genetische Kardiomyopathien). Effiziente Medikamente zur Therapie der Herzinsuffizienz und vor allem der zugrundeliegenden Erkrankungen sind zwar mit Erfolg in den letzten Jahren entwickelt worden, dennoch blieb die Sterblichkeit und die Zahl der Krankenhausaufnahmen hoch. Neue Studiendaten lenken das Augenmerk von Kardiologen nun auf die ursprünglich für Diabetes mellitus entwickelten Medikamente Dapagliflozin und Empagliflozin aus der Gruppe der SGLT 2‑Hemmer.
Nachdem einige orale Diabetesmedikamente in der Vergangenheit eine Erhöhung der Krankenhausaufnahme wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz verursachten (sogenannte Glitazone), hatte die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) Sicherheitsstudien für alle neu entwickelten Antidiabetika verpflichtend gemacht. So viel bei Zulassungsstudien zu SGLT2-Inhibitoren auf, dass sie nicht nur bei Diabetes helfen, sondern auch eine Verbesserung der Herzinsuffizienz zu bewirken scheinen.
Die Substanzklasse der SGLT2-Inhibitoren hemmt die Wiederaufnahme von Glukose vom sogenannten Primärharn zurück ins Blut. Dadurch kommt es zu einem Glukoseverlust und so zu einer Blutzuckersenkung. Die Substanzen führen jedoch nicht nur zu einem Glukoseverlust über die Niere, sondern auch zu einem Natriumverlust und zu Stoffwechselveränderungen, die energetisch günstig für das Herz sein könnten.
Die Wirkung der beiden Medikamente auf die Herzschwäche wurde nun in zwei großen Studien untersucht: Kurz nacheinander wurden die Ergebnisse der DAPA-HF- und der EMPEROR-Studie publiziert. Es handelte sich um große multizentrische Studien mit zusammen mehr als 8.000 Patienten, die doppelblind und randomisiert behandelt wurden.
Interessanterweise wurden herzinsuffiziente Patienten mit einer eingeschränkten Ventrikelfunktion mit und ohne Diabetes eingeschlossen. Alle Studienteilnehmer wurden weiterhin mit einer optimalen Standardtherapie der Herzschwäche versorgt. Beide Studien zeigten übereinstimmend eine Abnahme des Risikos für kardiovaskuläre Todesfälle und Herzinsuffizienz-Krankenhausaufnahmen um etwa 25 %. Die Effekte waren in beiden Studien unabhängig von einer modernen Begleittherapie und bei Patienten mit und ohne Diabetes mellitus vergleichbar.
Aus Diabetes-Medikamenten werden Herzinsuffizienz-Medikamente
»Beeindruckend ist die konsistente Abnahme von Herzinsuffizienzkomplikationen bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern in den Studien«, berichtet Prof. Dr. Michael Böhm, Pressesprecher der DGK und Wissenschaftlicher Leiter beider Studien für Deutschland. »Das zeigt, dass sich aus einem Diabetesmedikament ein effizientes Herzinsuffizienzmedikament ausweislich der Wirkung bei Nicht-Diabetikern entwickeln kann.« Prof. Dr. Andreas Zeiher, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, ergänzt: »Diese Studienergebnisse sind eine wirklich gute Nachricht für alle Patienten mit Herzschwäche. Bisher zeigte kein anderes Medikament derart überzeugende Ergebnisse, insbesondere auch weil gleichzeitig die Nierenfunktion deutlich gebessert wird.«
Böhms Fazit ist, dass dieSGLT2-Hemmerin die Europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz, die im Jahr 2021 erscheinen werden, höchstwahrscheinlich mit einer starken Empfehlung aufgenommen werden. Die neue Leitlinie zur Herzinsuffizienz, die im Jahr 2021 er-scheinen wird, ist zurzeit von einem internationalen Expertengremium in Vorbereitung.
Textquelle: Prof. Dr. Michael Böhm, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Grafikquelle: Wiggers-Diagramm der Vorgänge im linken Herzteil während zweier Herzzyklen. Grafik: Dietzel65, wikipedia.org – Lizenz: CC BY-SA 2.5