Darm-Hirn-Achse beein­flusst Multiple Sklerose

Das Univer­si­täts­spital in Basel. Foto: Wladyslaw Sojka, www.sojka.photo, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Darm-Hirn-Achse beein­flusst Multiple Sklerose

Ein inter­na­tio­nales Forschungsteam unter Basler Leitung hat eine Verbindung zwischen der Darmflora und Entzün­dungs­herden im zentralen Nerven­system bei Multipler Sklerose entdeckt. Bei dieser neu identi­fi­zierten Darm-Hirn-Achse spielt eine bestimmte Klasse von Immun­zellen eine zentrale Rolle. Die Entde­ckung könnte den Weg zu neuen Therapien gegen MS weisen, die auf die Darmflora abzielen.

Was tun, wenn das eigene Immun­system das Nerven­system angreift? Neuere Therapien gegen die Autoim­mun­erkrankung Multiple Sklerose (MS) setzen darauf, bestimmte Immun­zellen (die B‑Zellen) aus dem Blut der Betrof­fenen zu entfernen. Aller­dings entdeckten Forschende von Univer­sität und Univer­si­täts­spital Basel bereits vor einigen Jahren, dass man dabei besser kein zu breites Spektrum der verschie­denen B‑Zellen entfernen sollte, da dies die Erkrankung sogar noch verschlimmern kann.

Eine neue Studie im Fachblatt »Science Immunology« wirft nun ein neues Licht auf diese Beobachtung: Ein inter­na­tio­nales Forschungsteam um PD Dr. Anne-Katrin Pröbstel von der Univer­sität Basel und vom Univer­si­täts­spital Basel hat entdeckt, dass bestimmte B‑Zellen eine Art Brücke zwischen der Darmflora und den Entzün­dungs­herden im zentralen Nerven­system schlagen und hier entzün­dungs­hemmend wirken.

»Aus früheren Studien wissen wir, dass die Zusam­men­setzung der Darmflora eine Rolle bei MS spielt. Aber wie genau sich Darmbak­terien und Immun­zellen gegen­seitig beein­flussen, war bisher unbekannt«, erklärt Pröbstel.

Immun­zellen für Darm und Hirn

Im Mittel­punkt der neuen Studie standen sogenannte IgA-produ­zie­rende B‑Zellen, kurz IgA-B-Zellen. Bei Immun­glo­bulin A (IgA) handelt es sich um eine Klasse von Antikörpern, die insbe­sondere die Immun­abwehr der Schleim­häute sicher­stellt. Die IgA-B-Zellen sind damit beispiels­weise für die Darmge­sundheit zentral.

Durch Analysen von Stuhl­proben von MS-Patien­tinnen und ‑Patienten sowie gesunden Personen stellten die Forschenden fest, dass MS-Betroffene im Darm IgA-B-Zellen tragen, die sich insbe­sondere gegen MS-typische Darmbak­terien richten – also solche, die gehäuft bei MS-Betrof­fenen vorkommen.

In einem weiteren Schritt analy­sierten die Forschenden die Rolle dieser Immun­zellen im Krank­heits­verlauf bei insgesamt 56 MS-Patien­tinnen und ‑Patienten. Demnach häuften sich die IgA-B-Zellen bei MS-Betrof­fenen mit akuten Entzün­dungs­herden in der Hirn-Rücken­marks-Flüssigkeit und im Hirngewebe.

»Offenbar wandern diese Immun­zellen aus dem Darm zu den Entzün­dungs­herden im zentralen Nerven­system und schütten dort einen entzün­dungs­hem­menden Boten­stoff aus«, fasst Pröbstel die Ergeb­nisse zusammen. »Das erklärt, warum sich die Erkrankung verschlimmert, wenn man diese Immun­zellen mit Medika­menten aus dem Blut entfernt.«

Auslöser noch unbekannt

Was genau die IgA-B-Zellen als Helfer gegen MS aktiviert und dazu anregt, vom Darm ins zentrale Nerven­system zu wandern, wird weiter unter­sucht. »Wenn wir den Auslöser dafür finden, könnten wir dies thera­peu­tisch zur Behandlung von MS nutzen«, so Pröbstel. Denkbar wäre beispiels­weise, die Zusam­men­setzung der Darmflora von Betrof­fenen gezielt zu verändern, um die IgA-B-Zellen als Helfer gegen die Entzün­dungen im Nerven­system zu mobilisieren.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Anne-Katrin Pröbstel et al., Gut micro­biota-specific IgA+ B cells traffic to the CNS in active multiple sclerosis, Science Immunology (2020), doi: 10.1126/sciimmunol.abc7191

Textquelle: Dr. Angelika Jacobs, Univer­sität Basel

Bildquelle: Das Univer­si­täts­spital in Basel. Foto: Wladyslaw Sojka, www.sojka.photo, Lizenz: CC BY-SA 3.0