HIV: Neuer Mecha­nismus entdeckt

Neues Angriffsziel für eine HIV-Therapie entdeckt. Foto: Uni Innsbruck

HIV: Neuer Mecha­nismus entdeckt

Der Kampf gegen HIV ist auch nach jahre­langer Forschung nicht gewonnen. Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung besserer Therapien ist ein gutes Verständnis davon, wie sich das Virus auf moleku­larer Ebene im Körper vermehrt. Ein Team um Kathrin Breuker hat nun einen Mecha­nismus entschlüsselt, der für die Vermehrung des Virus zentral ist und ein neues Angriffsziel für eine Therapie bietet.

Millionen von Menschen weltweit sind mit dem Immun­schwäche-Virus (HIV) infiziert. Wird dessen Vermehrung nicht mit Hilfe von antivi­ralen Mitteln einge­dämmt, führt eine Infektion nach einiger Zeit zu einer AIDS-Erkrankung. Viele Wissen­schaftler forschen immer noch intensiv nach neuen Angriffs­punkten des Virus, um effizi­entere Therapien zu entwi­ckeln. Die Arbeits­gruppe um Kathrin Breuker vom Institut für Organische Chemie hat nun ein weiteres solches Ziel identi­fi­ziert. Die Forsche­rinnen und Forscher konnten einen Mecha­nismus entschlüsseln, über den das Virus seine Vermehrung in mensch­lichen Zellen vorantreibt.

Zerstö­re­ri­schen Zyklus unterbrechen

Um sich zu vermehren und auszu­breiten, dringt das HI-Virus in mensch­liche Zellen ein und baut seine Erbinfor­mation im Zellkern in die DNA ein. Dadurch wird aus der einge­bauten Virus-DNA neue Virus-mRNA produ­ziert, die aus dem Zellkern in das Cytosol trans­por­tiert und dort in virale Proteine, die der Virus-Repli­kation dienen, umgeschrieben wird. Um die Virus-mRNA schnell aus dem Zellkern zu lotsen, bringt das Virus ein bestimmtes Protein mit, das rev heißt. Es ist bekannt, dass etwa acht bis zehn solcher rev-Moleküle an die Virus-RNA binden müssen, damit die mRNA schnell den Zellkern verlassen kann. Schon lange beschäftigt die Wissen­schaft die Frage, wo genau an der RNA und in welcher Reihen­folge diese rev-Proteine anlagern. Denn hier liegt ein möglicher Angriffs­punkt für eine gezielte Therapie, um den zerstö­re­ri­schen Zyklus der Virus­ver­mehrung zu unter­brechen. Bisher wurde versucht, mit Hilfe von Kernspin­re­sonanz-Spektro­skopie, Kristal­lo­graphie und bioche­mi­schen Experi­menten das Rätsel zu lösen. Für die struk­tur­ge­benden Methoden wurden aber modifi­zierte Moleküle verwendet, weil die natür­lichen Moleküle zu dynamisch sind und in den betrof­fenen Bereichen nicht kristal­li­sieren. „Mit diesen Methoden wurde vor einigen Jahren auch eine wichtige Bindungs­stelle entdeckt“, erzählt Kathrin Breuker. Mit ihrem Team hat sie nun eine neue Methode genutzt, um den Repli­ka­ti­ons­me­cha­nismus des Virus genauer unter die Lupe zu nehmen.

Neue Bindungs­stelle entdeckt

Die Innsbrucker Chemiker*innen haben die natür­lichen Moleküle im Labor synthe­tisch nachgebaut: ein Peptid, das der Bindungs­domäne des rev-Proteins entspricht sowie unter­schiedlich lange Segmente der Virus-mRNA. Deren Inter­ak­tionen beobach­teten sie mit Hilfe der Elektro­spray-Massen­spek­tro­metrie und Kolli­sions-aktivierter Disso­ziation. „Wir fanden neben RNA mit einem Peptid auch Komplexe mit zwei Peptiden. Bei längeren RNA-Stücken beobach­teten wir auch solche mit fünf Peptiden“, erzählt Kathrin Breuker, die mit ihrem Team diese Konstrukte genauer unter die Lupe nahm und eine neue Bindungs­stelle entdeckte, die bisher nicht detek­tiert werden konnte. „Es handelt sich hier um eine transiente Bindungs­stelle, die die rev-Proteine einfängt und dann an die bereits bekannten Bindungs­stellen weiter­reicht und so die Bildung von stabilen RNA-Protein-Komplexen ermög­licht“, erläutert Breuker das überra­schende Ergebnis, das nun in der renom­mierten Fachzeit­schrift Nature Commu­ni­ca­tions veröf­fent­licht wurde. Dieser Fund ist nicht nur in Hinblick auf eine neue Therapie inter­essant, sondern klärt auch viele Forschungs­er­geb­nisse, die bisher nicht oder nur teilweise verstanden wurden.

Finan­ziell unter­stützt wurden die Forschungen vom öster­rei­chi­schen Wissen­schafts­fonds FWF und der Forschungs­för­de­rungs­ge­sell­schaft FFG.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Native mass spectro­metry reveals the initial binding events of HIV‑1 rev to RRE stem II RNA. Eva-Maria Schnee­berger, Matthias Halper, Michael Palasser, Sarah Viola Heel, Jovana Vušurović, Raphael Plangger, Michael Juen, Christoph Kreutz & Kathrin Breuker. Nature Commu­ni­ca­tions 2020 doi: 10.1038/s41467-020–19144‑7

Textquelle: Dr. Christian Flatz, Univer­sität Innsbruck

Bildquelle: Neues Angriffsziel für eine HIV-Therapie entdeckt. Foto: Uni Innsbruck