Früh-Alzheimer durch spezielle Ernährung verzögern

Gemälde einer an Alzheimer sterbenden Frau, die sich daran erinnert, dass sie jung, schön und gesund war. Bild: Judith­carlin, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Früh-Alzheimer durch spezielle Ernährung verzögern

Eine Demenz ist bisher nicht heilbar und auch mit Medika­menten kaum zu behandeln. Im frühen Stadium lässt sich der Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung jedoch mit einem spezi­ellen medizi­ni­schen Nahrungs­mittel verzögern. Bei Versuchs­per­sonen, die dieses Mittel über einen längeren Zeitraum einnahmen, ließ die geistige Leistungs­fä­higkeit deutlich langsamer nach als in einer Kontroll­gruppe, die nur ein Placebo erhielt. Das ist das Ergebnis der europäi­schen Studie LipiDiDiet, bei der 311 Patienten an elf Kliniken bisher drei Jahre lang beobachtet wurden. Die Forschungs­er­geb­nisse wurden jetzt in dem renom­mierten inter­na­tio­nalen Journal »Alzheimer’s & Dementia« veröffentlicht.

Eine begin­nende Alzheimer-Erkrankung macht sich durch eine nachlas­sende Hirn- und Gedächt­nis­leistung bemerkbar, vor allem das Kurzzeit­ge­dächtnis leidet. Dies erkennen die Patienten und ihre Angehö­rigen bereits lange, bevor die eigent­liche Demenz ausbricht. »Durch Unter­su­chungen des Hirnwassers und Kernspin­to­mo­graphie-Aufnahmen des Gehirns, die eine für Alzheimer typische Schrumpfung des Hippo­campus sichtbar machen, lässt sich dieses Frühstadium gut feststellen«, erläutert Tobias Hartmann, Professor für Demenz­prä­vention der Univer­sität des Saarlandes, der die europäische Studie LipiDiDiet leitet. In der breit angelegten Unter­su­chung wurden über dreihundert Teilnehmer mit ersten Symptomen über einen längeren Zeitraum mit einem spezi­ellen medizi­ni­schen Nahrungs­mittel behandelt.

Professor Tobias Hartmann. Foto: Univer­sität des Saarlandes

Erste Zwischen­er­geb­nisse dazu wurden in den vergan­genen Jahren veröf­fent­licht, die bereits eine Wirksamkeit belegen konnten. »Aber erst jetzt nach drei Jahren Behand­lungszeit offen­barten sich weitge­hende Unter­schiede zwischen den Studi­en­teil­nehmern und der Kontroll­gruppe«, erläutert Hartmann. Letztere erhielt ein unwirk­sames Placebo-Mittel, das aber im Geschmack sowie in der Konsistenz und Farbe identisch war. Weder Patienten, Ärzte noch Wissen­schaftler wussten, wem das Placebo oder das Multin­ähr­stoff­ge­tränk verab­reicht wurde. »Bei den Patienten mit dem Nährstoff­cocktail schrumpften die Gehirne der von Alzheimer betrof­fenen Teilnehmer um 20 Prozent weniger als bei der Vergleichs­gruppe, der Verän­de­rungs­prozess im Gehirn konnte also deutlich verlangsamt werden. Noch wichtiger war, dass die Hirnleistung während der drei Jahre zwischen 40 bis 70 Prozent weniger nachließ als bei den nicht behan­delnden Probanden«, erläutert Hartmann.

»Die positiven Effekte der Behandlung zeigten sich besonders deutlich bei den Teilnehmern, die in einem sehr frühen Alzheimer-Stadium damit beginnen konnten. Zudem konnten wir, was uns selbst überraschte, feststellen, dass die Wirkungen im Laufe der Behand­lungszeit zunahmen und sich nicht nur im Bezug auf das Gedächtnis, sondern auch auf andere kognitive Bereiche auswei­teten, je länger die Behandlung andauerte«, erklärt Hartmann. Die Probanden konnten zum Beispiel alltäg­liche Heraus­for­de­rungen, wie Rechnungen bezahlen, sich den Weg merken oder auch mit Notfällen umgehen, besser bewäl­tigen als die Kontrollgruppe.

Das für die Behandlung der Alzheimer-Patienten einge­setzte Nährstoff­ge­misch »Fortasyn Connect« enthält eine spezielle Kombi­nation aus essen­ti­ellen Fettsäuren, Vitaminen und anderen Nährstoffen. Dazu zählen Docosa­he­xa­en­säure, Eicosapen­taen­säure, Uridin­mo­no­phosphat, Cholin, die Vitamine B12, B6, C, E und Folsäure sowie Phospho­lipide und Selen. Frühere präkli­nische Forschungen des LipiDiDiet-Konsor­tiums und anderer Labora­torien, etwa des Massa­chu­setts Institute of Technology (MIT), haben gezeigt, dass diese Nährstoffe eine Reihe von für Alzheimer typische Hirnver­än­de­rungen reduzieren. Weitere klinische Studien zeigten zudem positive Ergeb­nisse bei Gedächtnis- und EEG-Messungen, die auf erhöhte Hirnak­ti­vi­täten der behan­delten Versuchs­per­sonen hinwiesen.

Derzeit leiden etwa 47 Millionen Menschen weltweit an Alzheimer oder einer ähnlichen Demenz, für die es keine Heilung gibt. Binnen der kommenden 20 Jahre soll sich diese Zahl verdoppeln, im Jahr 2050 erwarten die Wissen­schaftler rund 130 Millionen Betroffene. »Trotz inten­siver Forschung gibt es leider immer noch keine Medika­mente, mit der eine Alzheimer-Erkrankung geheilt werden könnte. Einige Medika­mente verbessern vorüber­gehend die Symptome, lassen die Patienten dann aber schon nach einiger Zeit wieder in die Ausgangslage zurück­fallen. Vor diesem Hinter­grund sind die positiven Effekte, die wir mit dem beson­deren Nährstoff­ge­misch erzielen konnten, ein großer Erfolg. Wir hoffen, dass der Krank­heits­verlauf der Studi­en­teil­nehmer auch in Zukunft nur langsam fortschreitet, so dass sie auch im hohen Alter ein weitgehend selbst­be­stimmtes Leben führen können«, sagt Tobias Hartmann.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Alzheimer’s & Dementia: The Journal of the Alzheimer’s Association

36-month LipiDiDiet multi­nu­trient clinical trial in prodromal Alzheimer’s disease:

https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/alz.12172

http://www.didp.org

Textquelle: Friederike Meyer zu Tittingdorf, Univer­sität des Saarlandes

Bildquelle: (oben) Gemälde einer an Alzheimer sterbenden Frau, die sich daran erinnert, dass sie jung, schön und gesund war. Bild: Judith­carlin, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Bildquelle: (unten) Professor Tobias Hartmann. Foto: Univer­sität des Saarlandes