Die Krebs­zellen in den Tod treiben

Krebs­zellen, die im Gewebe der Bauch­spei­chel­drüse einen Klumpen bilden. Grafik: Scien­tific Anima­tions Inc., Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Krebs­zellen in den Tod treiben

Er ist heimtü­ckisch, aggressiv und nur selten zu besiegen: Der Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs gehört zu den tödlichsten Krebs­arten in der westlichen Welt. Trotz der enormen Fortschritte der medizi­ni­schen Forschung weiß man noch immer nicht, wie Pankre­as­kar­zinome genau entstehen und wie sie effektiv bekämpft werden können. Ulmer Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler haben nun in einer präkli­ni­schen Studie am Mausmodell gezeigt, wie sich bestimmte Krebs­zellen in den Tod treiben lassen. Sie haben dafür einen mutati­ons­spe­zi­fi­schen kombi­na­to­ri­schen Thera­pie­ansatz gewählt, der sich gegen eine Karzi­nom­va­riante richtet, bei der ein wichtiges DNA-Repara­turgen (ATM) mutiert ist.

Den Forschenden gelang es durch die Kombi­nation dreier Substanzen, die zellu­lären Repara­turme­cha­nismen auf breiter Linie abzuschalten. Der Effekt: die Krebs­zellen starben ab und das Tumor­wachstum wurde gehemmt. Veröf­fent­licht wurden die Ergeb­nisse der Studie in der renom­mierten briti­schen Fachzeit­schrift »GUT«, sowie eine Erwei­terung des Thera­pie­re­gimes in »Cells«.

Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs ist nicht gleich Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs. Heute weiß man, dass unter­schied­liche genetische Mutationen mit dieser Krebsart assoziiert sind. »Wir halten es für sehr sinnvoll, die Pankre­as­kar­zinom-Patienten entspre­chend ihrer Mutationen zu gruppieren, um die Erkrankung zielge­richtet behandeln zu können«, so der Studi­en­leiter Professor Alexander Kleger vom Univer­si­täts­kli­nikum Ulm. Als Heisenberg Professor für Molekulare Onkologie leitet er eine Arbeits­gruppe zur Pankre­as­for­schung. Der Mediziner ist Oberarzt und Leiter der Pankrea­to­logie an der Klinik für Innere Medizin 1.

Bei einem Fünftel aller Patienten mit Pankre­as­kar­zinom gibt es Mutationen in DNA-Repara­tur­genen. Am häufigsten ist dabei das ATM-Gen betroffen. Dieses Gen kodiert für das Enzym ATM-Serin/­Th­reonin-Kinase, das eine Schlüs­sel­rolle bei der Reparatur von DNA-Doppel­strang­brüchen spielt. Ist dieses Gen mutiert, kann dieses Enzym nicht synthe­ti­siert werden, sodass die Doppel­stran­g­re­pa­ratur nicht mehr funktio­niert. Um die DNA-Schäden zu besei­tigen, treten alter­native Repara­turme­cha­nismen in Kraft, die jedoch weitaus fehler­an­fäl­liger sind. Für die Zellen bedeutet dies ein gewisses Repro­duk­ti­ons­risiko, da die zelluläre Quali­täts­kon­trolle bei der Zellteilung fehler­hafte »Kopier­vor­lagen« elimi­niert und schad­hafte Zellen in den Tod schickt.

Prof. Alexander Kleger (links), Dr. Lukas Perkhofer (Mitte), Dr. Johann Gout (rechts). Fotos (3): Unikli­nikum Ulm

Um Tumor­zellen, die ATM-Mutationen aufweisen, selektiv abzutöten und dabei möglichst wenig Neben­wir­kungen hervor­zu­rufen, machen sich die Forsche­rinnen und Forscher diese besondere Tatsache zunutze: »Krebs­zellen mit Mutationen in solchen DNA-Repara­tur­genen reagieren empfind­licher auf DNA-schädi­gende Medika­mente als gesunde Körper­zellen. Dadurch lässt sich die Spezi­fität des Zelltods auf Krebs­zellen besser konzen­trieren«, erklären Dr. Lukas Perkhofer und Dr. Johann Gout. Der Oberarzt und der Postdoc aus der Klinik für Innere Medizin 1 teilen sich die Erstau­toren­schaft der Studie.

Um nicht nur die Reparatur von DNA-Doppel­strängen, sondern auch alter­native Repara­turwege zu blockieren, hat das Forschungsteam drei unter­schied­liche Medika­men­ten­gruppen kombi­niert. Zu diesen gehören sogenannte PARP‑, ATR- und DNA-PK-Inhibi­toren, die allesamt, aber auf unter­schied­lichen Wegen hemmend in die genetische Schadens­re­gu­lierung eingreifen. Unter­bleibt die Reparatur massiver Genschäden, leitet die Zelle den gezielten Zelltod durch »Selbstmord« ein: die Apoptose. So wird der Tumor in seinem Wachstum gestoppt. Durch die Kombi­nation dieser drei Kompo­nenten sollen weniger Neben­wir­kungen auftreten und Resis­tenzen so gut es geht vermieden werden. »Die gleich­zeitige Hemmung der Kinase ATM durch spezi­fische Medika­mente erlaubt eine poten­tielle Erwei­terung der Therapie auf nicht ATM-mutierte Tumoren, gleich­zeitig muss aber die Toxizität einer solchen poten­ti­ellen Therapie berück­sichtigt werden« gibt der Studi­en­leiter Kleger zu bedenken.

Im Mausmodell sprechen jene Tumoren mit zusätz­lichem ATM Verlust (AKC) signi­fikant besser auf die Thera­pie­kom­bi­nation mit PARP, ATR und DNA-PK Inhibition (PAD) an, als die allgemein verwen­deten Kontrollen mit einfacher KRAS Mutation (KC). Grafik: Klinik für Innere Medizin 1, Unikli­nikum Ulm

In dieser präkli­ni­schen Studie, an der weitere Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler aus Ulm sowie aus München und Mainz beteiligt waren, konnte dieser Effekt sowohl in der Zellkultur am Mausmodell gezeigt werden. Zum Einsatz kamen dabei sowohl murine als auch humane Pankre­as­kar­zi­nom­zellen. Mithilfe humaner Organoide, das heißt mit dreidi­men­sio­nalen Zellkul­turen, wurden die Ergeb­nisse validiert. »Die Studie hat gezeigt, dass unser mutati­ons­spe­zi­fi­scher Kombi­na­ti­ons­ansatz sehr vielver­spre­chend ist. Doch der Weg zur klini­schen Krebs­the­rapie ist noch weit«, sind sich die Forscher einig. Immerhin eröffnet die einge­schlagene Richtung neue Perspek­tiven für spezi­fi­schere und schonendere Behandlungsformen.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Syner­gistic targeting and resis­tance to PARP inhibition in DNA damage repair-deficient pancreatic cancer. Lukas Perkhofer, Frank Arnold, Michaela Ihle, Stephanie Biber, Elodie Roger, Johann M Kraus, Katja Stifter, Stephan A Hahn, Andrea Zamperone, Thomas Engleitner, Martin Müller, Karolin Walter, Eva Rodriguez-Aznar, Bruno Sainz Jr, Patrick C Hermann, Elisabeth Hessmann, Sebastian Müller, Ninel Azoitei, André Lechel, Stefan Liebau, Martin Wagner, Diane M Simeone, Hans A Kestler, Thomas Seufferlein, Lisa Wiesmüller, Roland Rad, Pierre-Olivier Frappart, Alexander Kleger; in: GUT. 2020 Sep 1.

http://dx.doi.org/10.1136/gutjnl-2019–319970

Textquelle: Andrea Weber-Tuckermann, Univer­sität Ulm

Bildquelle: Prof. Alexander Kleger (links), Dr. Lukas Perkhofer (Mitte), Dr. Johann Gout (rechts). Fotos (3): Unikli­nikum Ulm

Bildquelle: Im Mausmodell sprechen jene Tumoren mit zusätz­lichem ATM Verlust (AKC) signi­fikant besser auf die Thera­pie­kom­bi­nation mit PARP, ATR und DNA-PK Inhibition (PAD) an, als die allgemein verwen­deten Kontrollen mit einfacher KRAS Mutation (KC). Grafik: Klinik für Innere Medizin 1, Unikli­nikum Ulm

Bildquelle: (oben) Krebs­zellen, die im Gewebe der Bauch­spei­chel­drüse einen Klumpen bilden. Grafik: Scien­tific Anima­tions Inc., Lizenz: CC BY-SA 4.0