Erkennt­nisse über Regulation des Herzschlags

Professor Dr. Christian Wahl-Schott mit einem Modell des mensch­lichen Herzens. Foto: Karin Kaiser / MHH

Erkennt­nisse über Regulation des Herzschlags

Unser Herz ist ein Hochleis­tungs­motor. Ohne Pause pumpt der Hohlmuskel Blut durch den Körper und sorgt dafür, dass alle Zellen mit Sauer­stoff versorgt werden. Bei einem gesunden Erwach­senen geschieht das in jeder Minute etwa 60 bis 80 Mal, im Laufe eines Lebens sind das etwa drei Milli­arden Herzschläge. Sogar außerhalb des Organismus kann das Herz seine Arbeit mit konstanter Frequenz leisten. Denn der Herzschlag entsteht im Herzen selbst. Spezia­li­sierte Herzmus­kel­zellen im rechten Vorhof bilden als Schritt­mach­er­zellen den sogenannten Sinusknoten.

Ob unser Herz bei Anstrengung schneller oder im Ruhezu­stand langsamer schlägt, reguliert das autonome, sogenannte vegetative Nerven­system. Eine Forschungs­gruppe um Professor Dr. Christian Wahl-Schott, Leiter des Instituts für Neuro­phy­sio­logie der Medizi­ni­schen Hochschule Hannover (MHH), hat nun in Koope­ration mit dem Institut für Pharma­ko­logie für Natur­wis­sen­schaften der Ludwig-Maximi­lians-Univer­sität München genauer unter­sucht, wie dieser Mecha­nismus funktio­niert und dabei eine gängige Lehrmeinung widerlegt. Die gemeinsame Studie ist jetzt in der renom­mierten Fachzeit­schrift Nature Commu­ni­ca­tions veröf­fent­licht worden.

Ionen­kanäle stabi­li­sieren den Herzrhythmus

Schritt­mach­er­zellen sind elektrisch aktiv. Spezielle Ionen­kanäle leiten positiv geladene Teilchen durch die Zellmem­branen im Sinus­knoten. Diese HNC-Kanäle (hyper­po­la­ri­sation-activated cyclic nucleotid-gated cation channels) werden durch ein bestimmtes Signal­mo­lekül moduliert, das cAMP (zykli­sches Adeno­sin­mo­no­phosphat). »Jahrzehn­telang galt die Hypothese, dass eine höhere cAMP-Konzen­tration die Herzfre­quenz erhöht, eine niedrigere den Herzschlag verlangsamt«, erklärt Professor Wahl-Schott. Doch wider­sprüch­liche Beobach­tungen aus der Praxis zogen die Theorie zunehmend in Zweifel. Um die alte Annahme nun moleku­lar­bio­lo­gisch zu überprüfen, hat das Forschungsteam bei Mäusen die Bindungs­stelle für cAMP in den HNC-Kanälen im Herzen genetisch verändert und verhindert, dass der Boten­stoff die Kanäle anschaltet. »Die Mäuse haben dadurch zwar einen unregel­mä­ßigen Herzschlag entwi­ckelt«, sagt der Mediziner. »Entgegen der bislang geltenden Vermutung ließ sich der Herzrhythmus aber weiterhin regulieren.«

Da die Bindungs­stelle zwischen Boten­stoff und Ionen­kanal bei Maus und Mensch sehr ähnlich sind, lassen sich die Ergeb­nisse der Studie vom Tiermodell auf den Menschen übertragen: Sie zeigen, dass vor allem die Ionen­kanäle der Unter­einheit HNC4 den Herzrhythmus stabi­li­sieren und überschie­ßende Reaktionen des autonomen Nerven­systems verhindern. Einzelne Schritt­mach­er­zellen pausieren sogar minutenlang und feuern gar keine elektri­schen Signale an die Herzmus­kel­zellen, wodurch sie die Herzfre­quenz direkt regulieren. »Die Erkennt­nisse sind wichtig, um etwa die Mecha­nismen von Herzer­kran­kungen wie Rhyth­mus­stö­rungen oder das Sick-Sinus-Syndrom künftig besser zu verstehen«, betont Professor Wahl-Schott. Die neuen Beobach­tungen über den Taktgeber des Herzschlags könnten sich aber auch auf die Behandlung von Herzer­kran­kungen auswirken – etwa bei der Verwendung von Medika­menten, die die HCN-Kanäle gezielt beeinflussen.

Origi­nal­pu­bli­kation:

»cAMP-dependent regulation of HNC4 controls the tonic entrainment process in sinoatrial node pacemaker cells«

Textquelle: Stefan Zorn, Medizi­nische Hochschule Hannover

Bildquelle: Professor Dr. Christian Wahl-Schott mit einem Modell des mensch­lichen Herzens. Foto: Karin Kaiser / MHH