MS: Genetik und Mikrobiom bestimmen Anfälligkeit

Professor Hauke Busch, Vorstands­mit­glied des Exzel­lenz­clusters PMI und Leiter der Arbeits­gruppe »System­bio­logie von Entzün­dungs­krank­heiten« am Institut für experi­men­telle Derma­to­logie (LIED) des Univer­si­täts­kli­nikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, und der Univer­sität zu Lübeck (UzL). Foto: Sascha Klahn, Uni Kiel

MS: Genetik und Mikrobiom bestimmen Anfälligkeit

Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoim­mun­erkrankung des Nerven­systems von der mehr als zwei Millionen Menschen weltweit betroffen sind. Im Verlauf der Erkrankung greift das Immun­system die Isola­ti­ons­schicht von Nerven­zellen an und es entstehen Entzün­dungs­herde in Gehirn und Rückenmark, die mit der Zeit zu schwer­wie­genden neuro­lo­gi­schen Symptomen führen können. Die genauen Ursachen von MS sind bisher noch nicht geklärt. Neben einer Veran­lagung im Erbgut werden Virus­in­fek­tionen und auch Umwelt­ein­flüsse, wie etwa durch die Ernährung, für MS verant­wortlich gemacht. So gibt es immer mehr Hinweise, dass das Mikrobiom des Darms, sprich die Gesamtheit der im Darm lebenden Mikro­or­ga­nismen, eine Rolle bei vielen Autoim­mun­erkran­kungen spielen und auch für MS ursächlich sein könnte.

Einem deutsch-ameri­ka­ni­schen Forschungsteam unter Betei­ligung von Professor Hauke Busch und Dr. Axel Künstner vom Lübecker Institut für experi­men­telle Derma­to­logie (LIED) des Univer­si­täts­kli­nikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, und der Univer­sität zu Lübeck (UzL), beide Mitglied im Exzel­lenz­cluster »Precision Medicine in Chronic Inflamm­ation« (PMI), ist es nun erstmalig gelungen, einen Zusam­menhang zwischen Mikrobiom, Genetik und Multipler Sklerose in Mäusen nachzu­weisen. Das Team unter der Leitung von Dr. Dimitry Krementsov von der University of Vermont hat die Ergeb­nisse vor kurzem online in der Fachzeit­schrift Procee­dings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Die Forschenden konnten in ihrer Studie zeigen, dass Mäuse je nach geneti­scher Ausprägung eine unter­schied­liche Anfäl­ligkeit für MS haben, die zusätzlich vom Darmmi­krobiom und dem Stoff­wechsel der Darmbak­terien beein­flusst wird. Dazu haben sie Mäuse unter­sucht, die durch eine genetische Veran­lagung besonders stark von MS betroffen waren und mit Mäusen verglichen, die durch ihre genetische Veran­lagung weniger stark oder gar nicht von MS betroffen waren. In dem Mikrobiom mit stark ausge­prägter MS fanden die Forschenden vermehrt die Bakte­ri­enart Lacto­ba­cillus reuteri.

»Wir wollten daraufhin heraus­finden, ob diese Bakte­ri­enart nur eine Folge der geneti­schen Ausprägung ist, oder ob sie selbst einen Einfluss auf die Anfäl­ligkeit für MS hat«, erklärt Prof. Busch, Vorstands­mit­glied des Exzel­lenz­clusters PMI und Leiter der Arbeits­gruppe »System­bio­logie von Entzün­dungs­krank­heiten« am LIED. Dazu trans­fe­rierten die Forschenden Proben des Darmmi­kro­bioms, also Bakte­ri­en­mi­schungen, die mit Lacto­ba­cillus reuteri angerei­chert waren, sowie Proben ohne diese Anrei­cherung in Mäuse ohne eigenes Darmmi­krobiom. Das mit Lacto­ba­cillus reuteri angerei­cherte Mikrobiom führte in diesen Mäusen in der Tat zu einer stärkeren Ausprägung von MS. »Damit konnten wir zeigen, dass die Darmbak­terien selbst auch einen Einfluss auf die Ausprägung der Krankheit haben«, erklärt Busch.

»Aufgrund seines positiven Einflusses auf die Verdauung wird Lacto­ba­cillus reuteri häufig als Probio­tikum verwendet. In unserer Studie ist überra­schen­der­weise gerade dieses Bakterium der »bad guy«. Das zeigt, welche wichtige Rolle die Ernährung, die letztlich auch das Mikrobiom beein­flusst, bei der Prävention und der Behandlung von MS spielen könnte«, sagt der leitende Bioin­for­ma­tiker der Studie, Dr. Axel Künstner, Wissen­schaftler am LIED und ebenfalls Mitglied im Exzel­lenz­cluster PMI. »Unsere Beobach­tungen machen deutlich, wie wichtig es ist, neben der Genetik auch andere Faktoren wie etwa das Darmmi­krobiom und die Ernährung für die Entstehung und den Verlauf von komplexen Erkran­kungen wie MS zu berück­sich­tigen« so Künstner weiter.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Theresa L. Montgomery, Axel Künstner, Josephine J. Kennedya Qian Fang, Lori Asarian, Rachel Culp-Hill, Angelo D’Alessandro, Cory Teuscher, Hauke Busch, and Dimitry N. Krementsov: Inter­ac­tions between host genetics and gut micro­biota determine suscep­ti­bility to CNS autoim­munity, PNAS (2020).

DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2002817117

Textquelle: Frederike Buhse, Exzel­lenz­cluster Präzi­si­ons­me­dizin für chronische Entzündungserkrankungen

Bildquelle: Professor Hauke Busch, Vorstands­mit­glied des Exzel­lenz­clusters PMI und Leiter der Arbeits­gruppe »System­bio­logie von Entzün­dungs­krank­heiten« am Institut für experi­men­telle Derma­to­logie (LIED) des Univer­si­täts­kli­nikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, und der Univer­sität zu Lübeck (UzL). Foto: Sascha Klahn, Uni Kiel