Mit Antide­pres­sivum gegen Corona?

Im Bereich der Medizin besteht eine Verzahnung der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster mit dem Univer­si­täts­kli­nikum. Die Deutsche Forschungs­ge­mein­schaft finan­ziert hier fünf Sonder­for­schungs­be­reiche. Das Wahrzeichen der Univer­si­täts­klinik: Die Türme des Zentral­kli­nikums, genannt die Betten­türme. Foto: STBR, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Mit Antide­pres­sivum gegen Corona?

Ein Forscherteam um Prof. Dr. Ursula Rescher vom Institut für Medizi­nische Biochemie der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster (WWU) befasst sich mit Wirkstoffen, die an der Schnitt­stelle von Wirt und Erreger wirken. Ziel ist es, Medika­mente zu finden, die die Aufnahme von SARS-CoV-2-Viren hemmen und die Schwere einer COVID-19-Erkrankung verringern. Die Wissen­schaftler haben nun die Möglichkeit unter­sucht, das Antide­pres­sivum Fluoxetin als Medikament gegen COVID-19 einzu­setzen. Die Studi­en­ergeb­nisse wurden jetzt von der Fachzeit­schrift »Emerging Microbes & Infec­tions« veröffentlicht.

Seit über zehn Monaten hält die Corona-Pandemie die Welt nun schon in Atem. Obwohl die meisten Länder umfang­reiche Schutz­maß­nahmen in die Wege geleitet haben, steigen die Infek­tions- und Todes­raten. Angesichts der bislang nur wenigen Thera­pie­op­tionen beschränken sich Forscher bei der Suche nach einem sicheren, effek­tiven und global verfüg­baren Gegen­mittel für COVID-19 nicht auf die Suche nach neuen Arznei­stoffen: Getestet werden auch bereits zugelassene Medika­mente. Auf diesem Weg ist auch ein bekanntes Antide­pres­sivum ins Visier der Forschung geraten: Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler des Zentrums für Moleku­lar­bio­logie der Entzündung (ZMBE) der Medizi­ni­schen Fakultät der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster (WWU) haben die Möglichkeit unter­sucht, Fluoxetin als Medikament gegen COVID-19 einzusetzen.

Seit 1988 ist der Arznei­stoff Fluoxetin, besser bekannt unter dem Produkt­namen »Prozac«, als Antide­pres­sivum erhältlich. Seine eigent­liche Aufgabe ist es, die Aufnahme von Serotonin (dem sogenannten »Glücks­hormon«) zu hemmen, doch könnte er auch eine entschei­dende Rolle in der Behandlung von Corona-Patienten spielen. Eine COVID-19-Erkrankung wird durch das SARS-CoV-2-Virus ausgelöst. Die Forschungs­gruppe unter der Leitung von Prof. Ursula Rescher aus dem Institut für Medizi­nische Biochemie befasst sich mit Wirkstoffen, die an der »Schnitt­stelle« von Wirt und Erreger wirken. Ziel ist es, Medika­mente zu finden, die die Aufnahme von SARS-CoV-2-Viren in eben diesem Bereich hemmen und die Schwere einer COVID-19-Erkrankung verringern.

Das Team fand heraus, dass Fluoxetin sowohl die Aufnahme von SARS-CoV‑2 Viren in die Zellkultur als auch ihre Weiter­ver­breitung hemmt, ohne dabei Zellen oder Gewebe zu beschä­digen. Das Antide­pres­sivum gehört zu der Gruppe der FIASMA (funktio­nelle Inhibi­toren der sauren Sphin­go­mye­linase). Diese umfasst eine Vielzahl von pharma­ko­lo­gi­schen Wirkstoffen, die das Enzym ASM hemmen und sowohl Zellwachstum als auch Zelltod regulieren. Versuche, die von Dr. Sebastian Schloer aus der Arbeits­gruppe von Prof. Rescher in Zusammen mit Dr. Linda Brunotte und Prof. Stephan Ludwig aus dem Institut für molekulare Virologie durch­ge­führt wurden, haben gezeigt, dass auch die Arznei­stoffe Amidaron und Imipramin aus der Gruppe der FIASMA die Aufnahme und Verbreitung von SARS-CoV‑2 in der Zelle hemmen.

Medika­mente auf FIASMA-Basis sind als verträglich bekannt und in ihrer klini­schen Anwendung weit verbreitet. Die Wissen­schaftler der WWU sind aufgrund ihrer Ergeb­nisse optimis­tisch: »Die Erfor­schung von lizen­zierten und sich bereits in Gebrauch befin­denden Arznei­mitteln könnte dazu führen, dass viele Wirkstoffe auch antiviral einge­setzt werden«, blickt Prof. Rescher nach vorn. Davon würden dann durch mehr Thera­pie­op­tionen auch die COVID-19-Patienten profi­tieren. Die Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungs­ge­mein­schaft (DFG) innerhalb der Sonder­for­schungs­be­reiche 1009 »Breaking Barriers« und 1348 »Dynamic Cellular Inter­faces« gefördert.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Sebastian Schloer, Linda Brunotte, Jonas Goretzko, Angeles Mecate-Zambrano, Nadia Korthals, Volker Gerke, Stephan Ludwig & Ursula Rescher (2020) Targeting the endoly­so­somal host-SARS-CoV‑2 interface by clini­cally licensed functional inhibitors of acid sphin­go­mye­linase (FIASMA) including the antide­pressant fluoxetine, Emerging Microbes & Infec­tions, 9:1, 2245–2255, DOI: 10.1080/22221751.2020.1829082

Textquelle: Dr. Kathrin Kottke, Westfä­lische Wilhelms-Univer­sität Münster

Bildquelle: Im Bereich der Medizin besteht eine Verzahnung der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster mit dem Univer­si­täts­kli­nikum. Die Deutsche Forschungs­ge­mein­schaft finan­ziert hier fünf Sonder­for­schungs­be­reiche. Das Wahrzeichen der Univer­si­täts­klinik: Die Türme des Zentral­kli­nikums, genannt die Betten­türme. Foto: STBR, Lizenz: CC BY-SA 3.0