Immun­zellen zu Gast in Geweben

Immun­zellen in verschie­denen Geweben, hier zum Beispiel ILC2s (rot) oder T‑Zellen (blau) in der Lunge (rechts) oder in der Schleimhaut des Dünndarms (links). Bilder: Ye Ouyang / Georg Gasteiger

Immun­zellen zu Gast in Geweben

Spezia­li­sierte Immun­zellen siedeln sich dauerhaft in Geweben des Körpers an und bilden »lokale Eingriffs­truppen«. Forscher der Univer­sität Würzburg und aus Freiburg haben nun heraus­ge­funden, wie sich diese Zellen vor Ort erneuern und an ihre Umgebung anpassen.

Wenn Krank­heits­er­reger in den mensch­lichen Körper eindringen, ist eine schnelle Reaktion gefragt, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Quasi an vorderster Front der Immun­antwort stehen spezielle Immun­zellen, die sich in Schleim­haut­ge­weben wie Lunge, Haut und Darm aufhalten, wo sie frühzeitig den Kampf gegen die schäd­lichen Eindring­linge aufnehmen. Ihr Name: angeborene lympha­tische Zellen oder – kurz – ILCs. Eine der beson­deren Eigen­schaften dieser Zellen ist, dass sie nicht, wie viele andere Immun­zellen, erst alarmiert und an ihren Einsatzort an den Grenz­flächen unseres Körpers wandern müssen: ILCs siedeln sich schon kurz nach der Geburt in den Geweben und Organen an und verharren dauerhaft vor Ort.

Suche nach Vorläuferzellen

Über den Lebens­zyklus dieser Zellen war bislang nur wenig bekannt. Das hat sich jetzt geändert: Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler der Max-Planck-Forschungs­gruppe am Institut für System­im­mu­no­logie der Julius-Maximi­lians-Univer­sität Würzburg (JMU) haben ILCs in der Lunge unter­sucht. Diese Immun­zellen spielen eine eine Rolle bei Asthma, aber auch bei viralen und parasi­tären Infek­tionen: »Wir wollten verstehen, wie ILCs entstehen und wie sie sich auf Ihre Umgebung spezia­li­sieren«, erklärt Professor Georg Gasteiger, Inhaber des Lehrstuhls für System­im­mu­no­logie II, »und wir haben uns gefragt, ob es gewebe­spe­zi­fische Vorläu­fer­zellen gibt, die erklären könnten, wie sich diese lokalen Abwehr­zellen vor Ort erneuern können.«

Dafür haben die Würzburger Forscher zusammen mit Kollegen des Max-Planck-Instituts in Freiburg sämtliche mRNA-Moleküle einzelner ILCs in der Lunge gemessen. Aus diesen »moleku­laren Finger­ab­drücken« haben sie mit Methoden des maschi­nellen Lernens die Entwicklung der Lungen-ILCs abgeleitet, und diese dann in ausge­klü­gelten experi­men­tellen Systemen getestet.

Ein umfas­sender Atlas lokaler Abwehrzellen

Die Ergeb­nisse ihrer Arbeit sind jetzt in der Fachzeit­schrift Immunity erschienen. »Uns ist es gelungen, einen umfas­senden Atlas aller ILCs zu erstellen, die in der Lunge vorkommen. Gleich­zeitig konnten wir verschiedene Arten von Vorläu­fer­zellen identi­fi­zieren: solche, die im Körper zirku­lieren und andere, die sich dauerhaft in der Lunge ansiedeln«, beschreibt Georg Gasteiger das zentrale Ergebnis der jetzt publi­zierten Studie. »Die Arbeit zeigt, wie sich Immun­zellen aus verschie­denen Quellen an lokale Gewebeni­schen anpassen, und legt nahe, dass nicht die Herkunft, sondern lokale Wechsel­wir­kungen in diesen Nischen Schlüs­sel­fak­toren sind, die die Identität und Funktion von ILCs beeinflussen.«

ILCs übernehmen viele Aufgaben

Tatsächlich lassen sich ILCs in vielen Geweben des Körpers nachweisen. Dort inter­agieren sie mit anderen Zelltypen, bauen eine Barriere gegen schäd­liche Eindring­linge mit auf, kümmern sich um die Immun­antwort, setzen Entzün­dungs­re­ak­tionen in Gang und helfen bei Repara­tur­ar­beiten. In der Lunge haben die Würzburger Forscher eine spezielle Unterart unter­sucht – sogenannte ILC2s. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Immun­abwehr gegen parasitäre Infek­tionen, werden aber auch mit Asthma in Verbindung gebracht. Zusätzlich übernehmen sie eine Schlüs­sel­funktion, wenn es darum geht, die Lunge bei Virus­in­fek­tionen vor Gewebe­schäden zu schützen.

Einwan­derer unter­stützen die ortsan­säs­sigen Zellen

Zwar sei aus früheren Studien der Würzburger System­im­mu­no­logen bekannt gewesen, dass ILC2s während einer Infektion auch aus anderen Geweben in die Lunge »einwandern« können. Unklar war jedoch, ob diese mobilen Zellen nur vorüber­gehend die lokalen Abwehr­zellen mit spezia­li­sierten Funktionen unter­stützen, oder ob sie das Gewebe tatsächlich dauerhaft besiedeln, um den lokalen Pool an residenten Zellen aufzufüllen.

Um diese Mecha­nismen aufzu­klären, haben die Würzburger Wissen­schaftler zusammen mit Kollegen in Freiburg, Berlin, Marseille und New York einen umfas­senden Einzelzell-Atlas der ILC-Popula­tionen im Knochenmark und Lungen­gewebe unter normalen, physio­lo­gi­schen Bedin­gungen und während einer parasi­tären Wurmin­fektion erstellt. Dabei stießen sie auf Vorläu­fer­zellen, die aus dem Knochenmark einwandern und das Potenzial haben, während der Infektion das gesamte Spektrum von Lungen-ILC2s zu erzeugen. Diese Zellen konnten sie auch im peripheren Blut und in Lungen­proben von Tumor­pa­ti­enten nachweisen.

Basierend auf diesen Erkennt­nissen können diese Zellen nun auch aus dem Blut von Patienten isoliert werden, um zu unter­suchen, wie sie bei verschie­denen Erkran­kungen verändert sind. Die Forscher wollen weiter heraus­finden, wie diese Zellen im Labor vermehrt und für zelluläre Immun­the­rapien einge­setzt werden können.

Origi­nal­pu­bli­kation:

In situ maturation and tissue adapt­ation of type 2 innate lymphoid cell proge­nitors. Patrice Zeis, Mi Lian, Xiying Fan, Josip S. Herman, Daniela C. Hernandez, Rebecca Gentek, Shlomo Elias, Cornelia Symowski, Konrad Knöpper, Nina Pelto­kangas, Christin Friedrich, Remi Doucet-Ladeveze, Agnieszka M. Kabat, Richard M. Locksley, David Voehringer, Marc Bajenoff, Alexander Y. Rudensky, Chiara Romagnani, Dominic Grün, Georg Gasteiger. Immunity 53, 1–18, online / epub ahead of print 30.09.2020. DOI: https://doi.org/10.1016/j.immuni.2020.09.002

Textquelle: Gunnar Bartsch, Julius-Maximi­lians-Univer­sität Würzburg

Bildquelle: Immun­zellen in verschie­denen Geweben, hier zum Beispiel ILC2s (rot) oder T‑Zellen (blau) in der Lunge (rechts) oder in der Schleimhaut des Dünndarms (links). Bilder: Ye Ouyang / Georg Gasteiger