DNA-Schäden durch wandernde Lichtenergie

DNA wird mit UV-Strahlung aus LEDs bestrahlt, um zu unter­suchen, wie weit die Licht­energie darin wandert. Foto: Arthur Kuhlmann, KIT

DNA-Schäden durch wandernde Lichtenergie

Ultra­vio­lettes Licht gefährdet die Intaktheit des mensch­lichen Erbguts und kann Hautkrebs verur­sachen. Forsche­rinnen und Forscher am Karls­ruher Institut für Techno­logie (KIT) zeigen erstmals, dass durch UV-Licht ausge­löste DNA-Schäden auch sehr weit entfernt vom Ort des Strah­len­ein­tritts auftreten können. Durch das Herstellen einer künstlich model­lierten DNA-Sequenz in neuer Archi­tektur ist es ihnen gelungen, DNA-Schäden über eine Distanz von 30 DNA-Bausteinen nachzu­weisen. Über die Ergeb­nisse berichten sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie.
Bis zu 30 DNA-Bausteine entfernt von der Stelle des Licht­ein­trags lassen sich Schäden an der DNA nachweisen. Grafik: Hans-Achim Wagen­knecht, KIT Hans-Achim Wagen­knecht, KIT

»Bisher wurde es nicht für möglich gehalten, dass die Licht­energie in DNA so weit übertragen werden und dort noch Schäden verur­sachen kann«, sagt Professor Hans-Achim Wagen­knecht vom Institut für Organische Chemie des KIT. Die Fachzeit­schrift Angewandte Chemie, in der die Forschungs­er­geb­nisse vorge­stellt werden, bewertet diese als äußerst wichtig und zählt die Veröf­fent­li­chung zu den besten zehn Prozent unter ihren Publi­ka­tionen. Möglich wurde die Unter­su­chung durch eine synthe­tisch herge­stellte, verän­derte DNA mit einer bestimmten Architektur.

In dieses kurze Stück eines Gens hat das Forschungsteam an bestimmten Stellen das Molekül Xanthon als Licht­fänger eingebaut. Um im Experiment festzu­legen, wo die durch LED einge­brachte UV-Strahlung Schäden verur­sachen soll, haben die Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler in unter­schied­lichen, festge­legten Abständen von diesem Licht­fänger Paare von Thyminen einge­setzt. Thymin ist eine von vier Nukle­in­basen und damit einer der wesent­lichen Bausteine der DNA. Der häufigste durch Licht verur­sachte Schaden an DNA beruht auf einer Verknüpfung von benach­barten Thyminen: Durch die Licht­energie bilden sie feste Verbin­dungen, Cyclo­bu­tan­py­ri­mid­in­dimere (CPD).

Durch die definierten Stellen für die CPD-Bildung ist es dem Team gelungen, eine Wanderung der Licht­energie über 30 DNA-Bausteine bezie­hungs­weise über eine Entfernung von bis zu 10,5 Nanometern nachzu­weisen. »Diese erstaunlich lange Reich­weite ist funda­mental für das Verständnis von DNA-Photo­schäden«, sagt Wagen­knecht. Denn CPD-Schäden gelten als molekulare Ursache von Hautkrebs. Sie haben zur Folge, dass die Erbinfor­mation nicht mehr oder nicht korrekt abgelesen werden kann.

Die Frage, wie weit die Energie überhaupt wandern kann, ist noch offen. In erster Linie ging es den Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftlern darum, zu klären, wo ein Licht­schaden entsteht. Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt darin, dass Xanthone, die im Experiment als Licht­fänger künstlich in die DNA einge­bracht wurden, sich in vielen Alltags­stoffen befinden können, etwa als Bestandteil eines Antibio­tikums, und bei Einnahme die Licht­emp­find­lichkeit der Haut erhöhen. Im nächsten Schritt will die Forscher-Gruppe den Mecha­nismus der Energie­wan­derung im Detail erkunden.

Origi­nal­pu­bli­kation:

Arthur Kuhlmann, Larissa Bihr, Hans-Achim Wagen­knecht: How far does energy migrate in DNA and cause damage? Evidence for long-range photo­damage to DNA. Angewandte Chemie, 2020, DOI: 10.1002/anie.202009216.

Textquelle: Monika Landgraf, Karls­ruher Institut für Technologie

Grafik­quelle: Bis zu 30 DNA-Bausteine entfernt von der Stelle des Licht­ein­trags lassen sich Schäden an der DNA nachweisen. Grafik: Hans-Achim Wagen­knecht, KIT

Bildquelle: DNA wird mit UV-Strahlung aus LEDs bestrahlt, um zu unter­suchen, wie weit die Licht­energie darin wandert. Foto: Arthur Kuhlmann, KIT