Bakterien aus Fettgewebe führen zu Entzündungen

Das Fettgewebe ist eine an verschie­denen Stellen des Körpers auftre­tende Form des Binde­ge­webes, die aus Fettzellen (Adipo­zyten) aufgebaut ist. Grund­sätz­liche Aufgabe der Fettzelle ist es, in ihrem Zellleib sowohl Fett als auch Wasser zu speichern und bei Bedarf wieder freizu­geben. Nachdem dabei lange Zeit nur zwischen zwei Formen des Fettge­webes mit unter­schied­lichen Funktionen – dem weißen und braunen Fettgewebe – unter­schieden wurde, ist inzwi­schen auch eine dritte Form des Fettge­webes – das so genannte beige Fettgewebe – entdeckt worden, das eine Zwischen­stellung zwischen den zuvor genannten beiden einnimmt. Unser Foto: Univa­kuoläre Adipo­zyten im weißen Fettgewebe, Department of Histology, Jagiel­lonian University Medical College, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Bakterien aus Fettgewebe führen zu Entzündungen

Forscher der Univer­si­täts­me­dizin Leipzig fanden in ihren Unter­su­chungen im Fettgewebe lebendige Bakterien und bakte­ri­elles Erbgut (DNA), die zu Entzün­dungen führen können. Je mehr bakte­rielle DNA im Fett vorhanden sind, umso höher sind die Entzün­dungs­werte und damit auch die Wahrschein­lichkeit, dass Stoff­wech­sel­stö­rungen auftreten können. Insbe­sondere überge­wichtige Personen und Patienten mit Typ-2-Diabetes sind davon betroffen. Die aktuellen Studi­en­ergeb­nisse erschienen kürzlich im Journal »Gut«.

Woher kommen Entzün­dungen im Fettgewebe? Diese Frage stellten sich die Wissen­schaftler um Studi­en­leiter Prof. Peter Kovacs der Klinik und Poliklinik für Endokri­no­logie, Nephrologie, Rheuma­to­logie des Univer­si­täts­kli­nikums Leipzig (UKL) zu Beginn ihrer Forschung. Im Blutbild von überge­wich­tigen Personen sind die Entzün­dungs­werte häufiger leicht erhöht. Zudem weisen sie wie auch Patienten mit Typ-2-Diabetes eine besondere Darmflora und eine erhöhte Durch­läs­sigkeit des Darms auf. »Wir haben uns gefragt, ob die Bakterien bei Diabe­tes­pa­ti­enten und Menschen mit Überge­wicht in das Fettgewebe einwandern, um dort zu dieser Entzündung, die wir sehen, auch aktiv beizu­tragen«, sagt Dr. Rima Chakaroun von der Klinik und Poliklinik für Endokri­no­logie, Nephrologie, Rheuma­to­logie, UKL. Die junge Nachwuchs­for­scherin ist zusammen mit ihrem Kollegen Lucas Massier Erstautor der vorlie­genden Studie.

Um heraus­zu­finden, wie die Entzün­dungs­werte mit Fettlei­bigkeit und Diabetes zusam­men­hängen, entnahmen die Wissen­schaftler bei der Opera­tionen durch Prof. Dr. Arne Dietrich an der Klinik und Poliklinik für Viszeral‑, Transplantations‑, Thorax‑, und Gefäß­chir­urgie, UKL, sterile Fettge­webs­proben von 75 Patienten. »Jeden Schritt des Experi­ments haben wir kontrol­liert, um eine Konta­mi­nation durch das Arbeits­umfeld und Verfäl­schung der Ergeb­nisse zu verhindern. Wir haben die gleichen Unter­su­chungen im Blut durch­ge­führt und hier uns die DNA von Bakterien angeschaut. Auch haben wir in fixierten Fettge­webs­schnitten nach intakten Bakterien gesucht«, erläutert Chakaroun die Methoden. Die Schnitte vom Fettgewebe wurden nach ihrer Entnahme mit Fluores­zenz­farb­stoff einge­färbt und dann die Fluores­zenz­si­gnale nachge­wiesen. »Wir haben tatsächlich lebendige Bakterien im Fett gefunden. Und je mehr zu finden sind, desto kränker waren die Patienten. Auch die unabhängige Bestä­tigung durch das Hervor­rufen einer Entzündung in Fettge­webs­zellen mit mehr bakte­ri­eller DNA gelang uns und unter­stützt unsere These«, erklärt Chakaroun das wichtigste Ergebnis der Studie. Damit ist das Vorhan­densein von Bakterien stark gewebe­spe­zi­fisch. Eine bestimmte bakte­rielle Zusam­men­setzung und Menge an Bakterien tragen vermutlich zusätzlich zu Entzün­dungen bei Diabetes-2-Patienten und überge­wich­tigen Personen bei.

In anschlie­ßenden Studien werden die Wissen­schaftler in ihren Unter­su­chungen weitere Faktoren einbe­ziehen. »Das Fettgewebe ist nicht lose in unserem Körper«, resümiert Chakaroun. »Es bleibt zu erfor­schen, wie das Zusam­men­spiel zwischen Umwelt und Ernäh­rungs­weise den Darm als Schalt­stelle zwischen innerer und äußerer Umwelt sowie anderer Gewebe beein­flussen kann und darüber den Übergang der Bakterien ins Fett. Das zu verstehen, könnte uns neue Ansatz­punkte und eventuell neue Thera­peutika zur Bekämpfung von Fettlei­bigkeit und metabo­li­schen Erkran­kungen ermöglichen.«

Die Studie wurde vom Bundes­mi­nis­terium für Bildung und Forschung mit 350.000 Euro gefördert. Die Ergeb­nisse ihrer Forschungs­ar­beiten flossen auch in die kürzlich erschienene Studie über die Wirkung von medika­men­tösen Fettsenkern im Fachma­gazin »Nature« ein. Diese weist nach, dass Patienten, welche die Fettsenker Statine nehmen, statis­tisch weniger Entzün­dungs­werte aufzeigen als anhand ihrer Fettlei­bigkeit zu erwarten wäre. Viele andere Studien belegen positive Effekte der Statine auch bezüglich ernied­rigter Raten von Krebs­er­kran­kungen und Herzin­farkte. Diese Effekte scheinen jedoch nicht nur über die fettsen­kende Wirkung der Medika­mente übermittelt zu sein, sondern auch über direkte und indirekte Hemmung der Entzündung im Körper. Im aktuellen »Nature«-Artikel konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass das Modulieren der Entzündung auch über die Zusam­men­setzung der Darmbak­terien feinge­stellt werden kann.

Origi­nal­pu­bli­kation:

»Gut«: Adipose tissue derived bacteria are associated with inflamm­ation in obesity and type 2 diabetes, doi: 10.1136/gutjnl-2019–320118

»Nature«: Statin therapy is associated with lower preva­lence of gut micro­biota dysbiosis, doi: 10.1038/s41586-020‑2269‑x

Textquelle: Peggy Darius, Univer­sität Leipzig

Bildquelle: Das Fettgewebe ist eine an verschie­denen Stellen des Körpers auftre­tende Form des Binde­ge­webes, die aus Fettzellen (Adipo­zyten) aufgebaut ist. Grund­sätz­liche Aufgabe der Fettzelle ist es, in ihrem Zellleib sowohl Fett als auch Wasser zu speichern und bei Bedarf wieder freizu­geben. Nachdem dabei lange Zeit nur zwischen zwei Formen des Fettge­webes mit unter­schied­lichen Funktionen – dem weißen und braunen Fettgewebe – unter­schieden wurde, ist inzwi­schen auch eine dritte Form des Fettge­webes – das so genannte beige Fettgewebe – entdeckt worden, das eine Zwischen­stellung zwischen den zuvor genannten beiden einnimmt. Unser Foto: Univa­kuoläre Adipo­zyten im weißen Fettgewebe, Department of Histology, Jagiel­lonian University Medical College, Lizenz: CC BY-SA 3.0