Herzklappen: Ventile im Lebensmotor Herz. Foto: Holger Elias / Telefoto
Maßgeschneidert: Aortenklappe aus Herzgewebe
Bei einer neuen Operationsmethode für Herzklappenersatz können Chirurgen Ersatzherzklappen aus körpereigenem Gewebe formen und gegen die erkrankte Herzklappe austauschen. Das hat viele Vorteile – vor allem für jüngere Patienten. Viele Fragen rund um diese sogenannte »Ozaki-Prozedur« sind jedoch noch offen. Für deren Klärung fördert die Deutsche Herzstiftung mit der von ihr gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) die detaillierte Erforschung des vielversprechenden Verfahrens durch Wissenschaftler des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Das Vorhaben* wird von Dr. med. Buntaro Fujita, Leiter der herzchirurgischen Forschung in der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie am UKSH mit Kollegen durchgeführt.
Warum die Ozaki-Prozedur?
Die häufigste Erkrankung der Herzklappen ist die Aortenklappenstenose, eine Verengung (Stenose) der Aortenklappe. Rund vier Prozent der 60- bis 70-Jährigen und bis zu zehn Prozent der über 80-Jährigen leiden daran in Deutschland. Fast 70.000 Patienten werden alljährlich mit einer Aortenklappenstenose stationär aufgenommen. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, kommt es innerhalb weniger Jahre zu einer schweren Herzschwäche oder gar zum Tod. Der frühzeitige Austausch der defekten Klappe kann das Herz vor schweren Schäden bewahren und die Lebensqualität der Betroffenen erhalten. Bislang nutzen die Herzchirurgen als Klappenersatz entweder künstliche (mechanische) Klappen aus Metall oder biologische Klappen, zumeist von Rindern oder Schweinen.
Beide Ersatzklappentypen haben Vor- und Nachteile: Die mechanische Klappe ist lange haltbar, macht aber die lebenslange Einnahme gerinnungshemmender Medikamente notwendig (Antikoagulation). Nur so lässt sich dem Entstehen von Blutgerinnseln vorbeugen, die etwa zu Schlaganfällen führen können.
Biologische Klappen erfordern keine lebenslange Antikoagulation, haben aber eine begrenzte Lebenszeit von zehn bis 15 Jahren. Bei Kindern und jungen Erwachsenen mit angeborenen Klappenfehlern kann die Haltbarkeitsdauer noch kürzer sein. Die Klappe muss dann erneut ausgetauscht werden.
Lösung für ein Dilemma: höhere Haltbarkeit, weniger Gerinnungshemmer
Die Ozaki-Prozedur könnte eine Lösung für dieses Dilemma sein: Statt mechanische Klappen aus Metall oder biologische Klappen von Tieren zu implantieren, maßschneidern die Chirurgen während der Operation eine neue Aortenklappe aus patienteneigenem Gewebe. Benannt ist die neue Methode nach Shigeyuki Ozaki, einem japanischen Herzchirurgen, der das Verfahren entwickelt hat.
»Die Ozaki-Prozedur hat das Potenzial, die positiven Eigenschaften von mechanischen und biologischen Klappen zu kombinieren«, erklärt Fujita. Wie gut die neue Methode im Vergleich zur herkömmlichen Vorgehensweise funktioniert und wie sie verbessert werden kann, wollen Fujita und seine Forscherkollegen im Labor detailliert untersuchen.
Um die Ersatzklappe nach der Ozaki-Methode herzustellen, benutzen die Chirurgen Gewebe vom Herzbeutel (Perikard) des Patienten: Sie entfernen während der Operation zunächst die defekte Aortenklappe, schneiden sodann ein kleines Stück des Perikards heraus, rekonstruieren daraus die Aortenklappe in der für den Patienten individuell passenden Größe und nähen die fertige Klappe wieder am natürlichen Klappenring des Patienten an. »Das kommt der natürlichen Aortenklappe sehr nahe«, sagt Fujita, zumal das körpereigene Gewebe keine Abwehrreaktionen des Immunsystems provoziere – die Angriffe der Immunzellen lassen körperfremdes biologisches Klappenmaterial mit der Zeit degenerieren.
Der Herzmuskel und seine vier Herzklappen sind wichtige Bauelemente des Herzens. Der Muskel pumpt das Blut mit Druck in den Kreislauf. Die Herzklappen sind dabei einer großen mechanischen Belastung ausgesetzt: Mit 60 bis 90 Kontraktionen pro Minute pumpt das Herz rund 100.000-mal pro Tag ca. 70 Milliliter Blut in den Kreislauf des Menschen. Wie funktionieren die vier „Ventile“ unseres faszinierenden Lebensmotors? Wie schaffen es die Klappen, viele Jahrzehnte den mechanischen 24–7‑Belastungen standzuhalten? Quelle: Deutsche Herzstiftung
Eine Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) zählt zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen in Deutschland. Ist die Herzklappe so stark verengt, dass es zu Luftnot bei Belastung oder sogar in Ruhe kommt, raten Kardiologen in der Regel zu einem Ersatz der Herzklappe. Für inoperable Hochrisiko- und ältere Patienten (über 85 Jahre), für die nicht die Standardoperation, der herzchirurgische Klappenersatz, in Frage kommt, steht die schonendere kathetergestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI) zur Verfügung. Wie funktioniert die TAVI-Prozedur? Wie wird entschieden: TAVI oder chirurgischer Klappenersatz? Wie ist die Risikosituation bei TAVI? Diese und weitere Fragen beantwortet das Experten-Video mit Prof. Voigtländer für jedermann leicht verständlich. Quelle: Deutsche Herzstiftung
Experten-Clip – Aortenklappenstenose: Wann ist ein Eingriff notwendig?
Die neue Klappe aus patienteneigenem Perikard verspricht nicht nur haltbarer zu sein. Auch die lebenslange Einnahme von Gerinnungshemmern dürfte verzichtbar werden: Anders als mechanische Klappen aus Metall stören die Ersatzklappen aus körpereigenem Gewebe nicht die Blutgerinnung und begünstigen das Entstehen gefährlicher Blutgerinnsel.
Möglicherweise funktionieren die maßgeschneiderten Klappen auch besser und können ihre Aufgabe als richtungsweisende Ventile zuverlässiger erfüllen: Im Unterschied zu den herkömmlichen Prothesen kommen sie ohne Befestigung an einen künstlichen Prothesenring, der hart und unflexibel ist. Aufgrund der erhalten gebliebenen Elastizität kann sich die Ozaki-Klappe optimaler an den Blutfluss und die natürlichen Strömungsverhältnisse anpassen. Und nicht zuletzt: Sollte die Ozaki-Klappe dennoch im Laufe des Lebens verschleißen, lässt sich voraussichtlich mit der minimalinvasiven TAVI-Methode ohne erneute Operation am offenen Herzen ersetzen.
Fokus liegt auf Langzeiteffekten der neuen Ozaki-Klappen
Insgesamt sprechen viele Gründe – zumindest theoretisch – dafür, dass die via Ozaki-Prozedur hergestellten Klappen wesentlich mehr Gemeinsamkeiten mit den natürlichen Herzklappen haben als die bislang verwendeten Prothesen. «Zugleich hoffen wir, dass sich diese wichtigen Punkte auch auf die Langzeiteffekte des Aortenklappenersatzes und damit auf die Prognose des Patienten auswirken«, betont Prof. Dr. med. Armin Welz, Herzchirurg und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF. Klinische Daten indes, die diese Vorteile handfest belegen, gibt es bislang nur wenige. Das wollen die Forscher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein ändern: In drei umfangreichen Teilprojekten prüfen sie unter Laborbedingungen, ob die Ozaki-Klappen im Vergleich zu den üblichen Prothesen auch praktisch halten können, was sie theoretisch versprechen. Am Ende der Untersuchungen sollen Empfehlungen stehen, die eindeutig für oder gegen die neue Methode sprechen.
Herzklappen: Fragile Richtungsweiser
Das Herz hat vier Herzklappen, zwei in der rechten und zwei in der linken Hälfte. Die Herzklappen arbeiten wie Ventile, die das Blut geregelt ein- und ausströmen lassen. Bei jeder Füllungs- und Austreibungsphase wird jede Herzklappe einmal geöffnet und anschließend wieder geschlossen. Diese Ventilfunktion ist gestört, wenn Klappen nicht richtig schließen (Klappeninsuffizienz) oder wenn sich eine Klappe nicht ausreichend öffnet (Klappenverengung oder »Stenose«). Nur etwa ein Prozent der Klappenfehler sind angeboren, die meisten entstehen durch Erkrankungen, etwa Rheuma, Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis), infolge von Herzinfarkten oder während des Alterns durch zunehmenden Verschleiß.
Bei der häufigsten Herzklappenerkrankung, der Aortenklappenstenose, muss der Herzmuskel gegen einen erhöhten Widerstand arbeiten und mehr Kraft aufbringen, um das Blut durch die verengte Klappenöffnung in die Hauptschlagader und den Körperkreislauf zu pressen. Das Herz wird dabei auf Dauer überstrapaziert und zunehmend geschwächt. Infolgedessen werden die Organe, Gewebe und Zellen des Körpers nur unzureichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Das äußert sich mit verminderter Leistungsfähigkeit, Atemnot bei Belastung, Herzschmerzen oder Schwindel. Medikamente können diese Beschwerden lindern und eventuell ein weiteres Fortschreiten des Klappendefektes verzögern. Beheben lässt sich der Klappenfehler nur, indem der Chirurg die Klappe wiederherstellt oder austauscht. Dafür gibt es mittlerweile zwei Behandlungsverfahren: Die herkömmliche herzchirurgische Operation mit Eröffnen des Brustkorbs unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschinen und der Klappentausch ohne Operation mithilfe eines Katheters, die sogenannte Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI).
Textquelle: Michael Wichert, Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung
Bildquelle: Herzklappen: Ventile im Lebensmotor Herz. Foto: Holger Elias / Telefoto
Bildquelle: Illustration der Ozaki-Klappe. Oben: die Ozaki-Klappe in der Ansicht von oben (links) und seitlich (rechts) Unten: die normale Aortenklappe von oben und seitlich. Illustration: Ly Ho Nghiem/UKSH
Bildquelle: Die Arbeitsgruppe am UKSH (v. l. n. r.): Dr. Thekla Oechtering, Dr. Buntaro Fujita, Ly Ho Nghiem, Prof. Stephan Ensminger, Dr. Hiroyuki Saishi, Tim Schaller, Dr. Michael Scharfschwerdt. Foto: UKSH