Nur wenige Geschäfte durften während der Corona-Pandemie geöffnet bleiben. Ein Angestellter eines Lebensmittelgeschäfts und ein Kunde tragen Gesichtsmasken während der Hochphase der Pandemie in Brüssel. Foto: Lukasz Kobus / EU
Was soll das EU-Programm »EU4Health«?
Nächste Woche berät das EU-Parlament über Strategien für ein besseres Gesundheitswesen in Europa. Zuvor wird Bundeskanzlerin Angela Merkel im Plenum die Prioritäten des deutschen Ratsvorsitzes vorstellen. Die Plenartagung findet von Mittwoch (8. Juli) bis Freitag statt.
Der Ausbruch des Coronavirus hat deutlich gemacht, dass die EU-Länder in Krisenzeiten besser zusammenarbeiten müssen. Deshalb debattieren die Abgeordneten über Verbesserungsmöglichkeiten in der Gesundheitspolitik, die durch die Covid-19-Krise zutage getreten sind, und darüber, wie man die Gesundheitssysteme ausgereifter auf künftige Herausforderungen vorbereiten kann.
In einer Entschließung zum Aufbauplan forderte das Parlament bereits im Mai die Schaffung eines neuen eigenständigen europäischen Gesundheitsprogramms. Als Reaktion darauf schlug die Kommission vor, 9,4 Milliarden Euro aus dem langfristigen Haushalt 2021–2027 in ein neues EU-Gesundheitsprogramm mit dem Namen »EU4Health« zu investieren. Damit sollen durch die Pandemie aufgedeckte Lücken geschlossen, die Krisenmanagementkapazitäten der EU verbessert sowie Innovationen und Investitionen im Gesundheitssektor gefördert werden.
Fragen und Antworten zu »EU4Health«
Worum handelt es sich bei dem neuen Programm EU4Health und wie wird das Programm zur Verbesserung der Gesundheitssysteme in der EU beitragen?
EU4Health wird einen wesentlichen Beitrag zur Erholung nach der COVID-19-Krise leisten, indem das Programm die Gesundheit der EU-Bevölkerung verbessert, die Belastbarkeit der Gesundheitssysteme stärkt und Innovationen im Gesundheitssektor fördert. Mit dem neuen Programm werden auch durch die COVID-19-Krise aufgedeckte Lücken geschlossen, und es wird sichergestellt, dass die Gesundheitssysteme der EU für neue künftige Gesundheitsgefahren ausreichend gerüstet sind.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Vorsorge und die Fähigkeit der EU, wirksam auf große grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren zu reagieren, erheblich verbessert werden müssen.
Sie hat insbesondere gezeigt, was die EU braucht:
• eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten während einer Gesundheitskrise;
• eine Stärkung der Kapazitäten auf EU-Ebene zur Vorbereitung auf und Bekämpfung von Gesundheitskrisen und
• mehr Investitionen in die Gesundheitssysteme, um sicherzustellen, dass diese für die Herausforderungen von morgen gerüstet sind.
Mit dem Programm EU4Health wird es der EU möglich sein:
• in die Bildung von Reserven medizinischer Versorgungsgüter für den Krisenfall zu investieren;
• eine Reserve an Gesundheitspersonal und Experten zu schaffen, die mobilisiert werden kann, um Gesundheitskrisen in der gesamten EU zu verhindern oder darauf zu reagieren;
• Gesundheitsfachkräfte für den Einsatz in der gesamten EU zu schulen;
• die Überwachung von Gesundheitsgefahren zu verstärken und
• die Belastbarkeit der Gesundheitssysteme zu steigern, um bessere Gesundheitsergebnisse für alle zu gewährleisten.
Damit erhält die EU eine größere Zahl von Instrumenten, um sowohl bei der Vorsorge für Krisen als auch bei ihrer Bewältigung rasch, entschlossen und in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten tätig zu werden und das Funktionieren und die Leistung der Gesundheitssysteme in der EU insgesamt zu verbessern.
Welche Hauptziele werden mit dem Programm EU4Health verfolgt?
Das Programm EU4Health hat drei allgemeine Ziele:
1. den Schutz der Menschen in der EU vor schweren grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und die Verbesserung der Krisenmanagementkapazität;
2. die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Arzneimitteln, Medizinprodukten und anderen krisenrelevanten Produkten und die Förderung von Innovationen;
3. die Stärkung der Gesundheitssysteme und des Personals im Gesundheitswesen, auch durch Investitionen in die öffentliche Gesundheit, z.B. über Programme zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention und zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung.
Neben der Krisenvorsorge und der Krisenreaktion wird das Programm EU4Health auch andere wichtige langfristige Herausforderungen für die Gesundheitssysteme angehen, insbesondere:
• Ungleichheiten beim Gesundheitsstatus von Bevölkerungsgruppen, Ländern und Regionen sowie Zugang zu hochwertiger und bezahlbarer Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung;
• Belastung durch nicht übertragbare Krankheiten, insbesondere Krebs, psychische Beeinträchtigungen, seltene Krankheiten und Risiken im Zusammenhang mit Gesundheitsfaktoren;
• ungleiche Verteilung der Kapazitäten der Gesundheitssysteme;
• Hindernisse für die breite Einführung und optimale Nutzung digitaler Innovationen sowie deren Umsetzung in größerem Maßstab;
• zunehmende Gesundheitsbelastung durch Umweltschäden und Umweltverschmutzung, die insbesondere die Luft‑, Wasser- und Bodenqualität beeinträchtigen, sowie durch demografische Veränderungen.
Wie ist die Mittelausstattung im Rahmen des Programms EU4Health und wie werden die Gelder verwendet?
Die Kommission schlägt vor, im Rahmen des Programms EU4Health 9,4 Mrd. EUR in die Stärkung der Gesundheitssysteme zu investieren, wohingegen für den vorherigen Vorschlag der Kommission für eine Komponente Gesundheit im Rahmen des Europäischen Sozialfonds Plus 413 Mio. EUR vorgesehen waren. Die Finanzierung wird zum Teil aus dem EU-Haushalt (1,7 Mrd. EUR) erfolgen und zum Teil über externe zweckgebundene Einnahmen aus Mittelaufnahmen der Union gemäß der Verordnung über das EU-Aufbauinstrument (7,7 Mrd. EUR). Für keines der im Programm genannten Ziele wird es eine Vorabzuweisung geben. Die Verteilung der Mittel wird im Verlauf der Durchführung des Programms EU4Health vereinbart.
In den einzelnen Programmbereichen können künftig verschiedene Arten von Maßnahmen finanziert werden. Hierzu zählen unter anderem:
• länderspezifische maßgeschneiderte Unterstützung und Beratung für Länder oder Ländergruppen mit dem größten Bedarf durch Partnerschaften, fachliche Beratung, gegenseitige Unterstützung usw.;
• Schulungs- und Austauschprogramme für Arzt- und Pflegepersonal;
• neue Mechanismen, z.B. für die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen, die für die Prävention von Gesundheitskrisen und das Krisenmanagement erforderlich sind;
• Audits, beispielsweise der Vorkehrungen der Mitgliedstaaten in den Bereichen Vorsorge und Reaktion (etwa Krisenmanagement, antimikrobielle Resistenz, Impfung), zur Gewährleistung der Wirksamkeit;
• klinische Prüfungen zur Beschleunigung der Entwicklung und Zulassung innovativer, sicherer und wirksamer Arzneimittel und Impfstoffe sowie des Zugangs dazu;
• grenzübergreifende Zusammenarbeit und Partnerschaften, auch in grenzübergreifenden Regionen, mit Blick auf die Weitergabe und Skalierung innovativer Lösungen, einschließlich digitaler Lösungen, beispielsweise über die Europäischen Referenznetzwerke (ERN);
• Einrichtung und Koordinierung von Referenzlaboratorien der Union sowie von Exzellenzzentren;
• Investitionen in Vorfeldprojekte für Initiativen mit hohem Mehrwert und in kritische Gesundheitsinfrastrukturen;
• Aufbau, Betrieb und Wartung der digitalen Diensteinfrastruktur;
• Analysetätigkeiten wie Studien, Datenerhebung und Benchmarking.
In Anhang I des Vorschlags für das Programm EU4Health ist eine vollständige Liste möglicher Maßnahmen enthalten.
Was kann das neue Programm hinsichtlich nicht übertragbarer Krankheiten wie Krebs bewirken?
Nicht übertragbare Krankheiten und Lebensstil-Erkrankungen gehören zu den größten Herausforderungen, vor denen die Gesundheitssysteme der EU stehen. Nicht übertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen und Diabetes sind die Hauptursachen für Behinderung, schlechten Gesundheitszustand, gesundheitsbedingte Verrentung und vorzeitige Todesfälle in der Union, was erhebliche soziale und wirtschaftliche Folgen hat.
Um die Folgen nicht übertragbarer Krankheiten für den Einzelnen und die Gesellschaft in der Union zu verringern und die Frühsterblichkeit aufgrund von nicht übertragbaren Krankheiten bis 2030 um ein Drittel zu reduzieren, ist die Konzentration auf die Prävention, gepaart mit Bemühungen zur Stärkung der Gesundheitssysteme, von entscheidender Bedeutung. EU4Health wird Programme der Mitgliedstaaten zur Prävention von Krankheiten (einschließlich Früherkennung und Frühdiagnose) und zur Gesundheitsförderung unterstützen.
Die EU-Referenznetzwerke (ERN) für seltene Krankheiten mit geringer Prävalenz und für komplexe Krankheiten werden auf weitere seltene nicht übertragbare Krankheiten sowie Infektionskrankheiten ausgeweitet, sodass nicht die Patienten reisen müssen, sondern medizinisches Wissen und Expertise zu ihnen gebracht werden.
Wann werden die EU4Health-Mittel zur Verfügung stehen? Reagiert das Programm auf die derzeitige Coronavirus-Krise?
Das Programm EU4Health erstreckt sich auf den Zeitraum 2021–2027. Es berücksichtigt die bisherigen Erfahrungen und die durch die Krise aufgedeckten Lücken und wird strukturelle Veränderungen herbeiführen, um die EU besser auf weitere Herausforderungen im Gesundheitsbereich vorzubereiten. Nachdem die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament den Vorschlag angenommen haben, sollen ab dem 1. Januar 2021 spezifische Maßnahmen im Rahmen von EU4Health eingeleitet werden. Der Maßnahmenschwerpunkt wird auf den ersten Jahren der Programmlaufzeit liegen, insbesondere auf dem Krisenmanagement.
Bleibt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Gesundheitswesen von EU4Health unangetastet?
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass in Krisenzeiten eine bessere Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten erforderlich ist. EU4Health wird mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, wobei die Aufteilung der Zuständigkeiten in der Gesundheitspolitik gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beachtet und auf bestehende Kooperationsmechanismen zurückgegriffen wird; dabei liegt der Schwerpunkt auf strategischen und grenzübergreifenden Aspekten. Gemäß Artikel 168 AEUV ergänzt und unterstützt die Union die Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene, fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und die Koordinierung ihrer Programme. Dies sollte unter voller Achtung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer jeweiligen Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung erfolgen.
Wie wird das Programm EU4Health durchgeführt und welche Rolle werden die EU-Agenturen spielen?
EU4Health wird von den Mitgliedstaaten, von Nichtregierungsorganisationen und internationalen Organisationen durchgeführt, die EU-Mittel in Form von Finanzhilfen, Preisgeldern und öffentlichen Aufträgen sowie im Wege der indirekten Mittelverwaltung durch die Europäische Kommission und die Exekutivagenturen der EU beantragen können.
Eine Schlüsselrolle bei der Abwehr schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren und Pandemien – sowohl bei der Prävention als auch beim Krisenmanagement – kommt den EU-Agenturen, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zu. Die Programmmaßnahmen werden die Arbeit dieser EU-Agenturen ergänzen und stärken.
Wird die Kommission weiterhin aus dem Europäischen Sozialfonds Plus und anderen EU-Fonds Mittel für das Gesundheitswesen bereitstellen?
Mit der Annahme des Programms EU4Health passt die Kommission ihren Vorschlag für den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) an und integriert dessen Komponente »Gesundheit« vollständig in das Programm EU4Health.
Es gab nie zuvor ein ambitionierteres Gesundheitsprogramm als EU4Health, und doch werden im nächsten langfristigen Haushalt auch über andere Finanzierungsinstrumente, die Synergien mit EU4Health nutzen, wichtige Investitionen in die Gesundheit getätigt werden:
• Aus dem Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) werden benachteiligte Gruppen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung unterstützt;
• aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung wird die regionale Gesundheitsinfrastruktur verbessert;
• aus dem Programm »Horizont Europa« werden Forschung und Innovation im Gesundheitsbereich gefördert;
• im Rahmen von rescEU wird medizinisches Notfallmaterial bevorratet und
• im Rahmen des Programms »Digitales Europa« wird die digitale Infrastruktur geschaffen, die für digitale Gesundheitsinstrumente benötigt wird.
Entscheidend für den Erfolg werden programmübergreifendes Arbeiten und eine gemeinsame Zielsetzung in den einzelnen Politikbereichen sein.
Was ist der Unterschied zwischen der Bevorratung im Rahmen von EU4Health und dem rescEU-Kapazitätsprogramm?
Das Katastrophenschutzverfahren der Union wird eine rasche Reaktion ermöglichen und sich auf die direkten Krisenreaktionskapazitäten konzentrieren; das Programm EU4Health wird die strategische Bevorratung von medizinischem Material für eine längerfristige Nutzung sowie weitere strategische Reserven beinhalten. Dazu gehören eine Reserve an ärztlichem, pflegerischem und Hilfspersonal, das im Krisenfall mobilisiert werden kann, und ein Gesundheitsnotfallteam der Union, das sich aus Experten zusammensetzt, die bei der Bewertung und Reaktionskoordinierung in Anspruch genommen werden können.
Wie wird das Programm Forschung und Innovation unterstützen?
EU4Health wird eng mit dem wichtigsten Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Kommission, Horizont Europa, zusammenarbeiten, zu dem auch das Cluster »Gesundheit« gehört. Im Rahmen von Horizont Europa werden Forschung und Innovation zu Themen finanziert werden wie gute Gesundheit in allen Lebensphasen; ökologische und soziale Gesundheitsfaktoren; nicht übertragbare und seltene Krankheiten; Infektionskrankheiten; Instrumente, Technologien und digitale Lösungen für Gesundheitsversorgung, Pflege und Gesundheitssysteme. Dazu gehört auch ein Forschungsauftrag zu Krebserkrankungen, die zu den obersten Prioritäten der Kommission in der Gesundheitspolitik zählen. Das Programm EU4Health wird dazu beitragen, dass die Forschungsergebnisse bestmöglich verwendet werden und die Einführung, das Wachstum und die Verbreitung von Gesundheitsinnovationen in den Gesundheitssystemen und in der klinischen Praxis erleichtert werden.
Bildquelle: Die zypriotische Politikerin Stella Kyriakides übernahm in der EU-Kommission von der Leyen am 1. Dezember 2019 das Amt der Kommissarin für Gesundheit. Fotograf: Adam Berry / EU
Bildquelle: Nur wenige Geschäfte durften während der Corona-Pandemie geöffnet bleiben. Ein Angestellter eines Lebensmittelgeschäfts und ein Kunde tragen Gesichtsmasken während der Hochphase der Pandemie in Brüssel. Foto: Lukasz Kobus / EU