Demogra­fi­scher Wandel gefährdet Blutversorgung

Demogra­fi­scher Wandel gefährdet Blutversorgung

Aktuelle Daten belegen, dass eine ausrei­chende regionale Versorgung mit Blutpro­dukten aufgrund des demogra­fi­schen Wandels zu einer immer größeren Heraus­for­derung wird. Dies zeigen Ergeb­nisse einer Studie, in der Forscher die Auswir­kungen des demogra­fi­schen Wandels auf die Blutver­sorgung im Saarland unter­suchten. Anlässlich des Weltblut­spen­den­tages am 14. Juni 2020 ruft die Deutsche Gesell­schaft für Trans­fu­si­ons­me­dizin und Immun­hä­ma­to­logie e.V. (DGTI) zur regel­mä­ßigen Blutspende auf. Zugleich fordert die Fachge­sell­schaft ein bundes­weites Monitoring, um den Bedarf und die Verfüg­barkeit von Blutpro­dukten zu koordinieren.

Die Zahl der möglichen Blutspender zwischen 18 und 65 Jahren nimmt konstant ab. Gleich­zeitig gibt es immer mehr ältere Menschen, die einen höheren Bedarf an Blutpro­dukten haben. »Seit Jahren beobachten wir in den Kliniken eine Zunahme älterer Patienten, die deutlich mehr Blut brauchen als Jüngere«, erläutert Professor Dr. med. Hermann Eichler, 1. Vorsit­zender der DGTI. Die Anzahl der über 65-Jährigen nimmt in der Bevöl­kerung stetig zu, während die Zahl der möglichen Blutspender zwischen 18 und 65 Jahren konstant abnimmt. »Diese Fakten der demogra­fi­schen Entwicklung sind entscheidend für die weitere Blutver­sorgung Deutsch­lands«, sagt Eichler, der auch Direktor des Instituts für Klinische Hämosta­seo­logie und Trans­fu­si­ons­me­dizin am Univer­si­täts­kli­nikum des Saarlandes ist.

Mit Blut gefüllter Blutspen­de­beutel, Foto: MartinD, edited by Mattes, wikipedia.org, Lizenz: CC BY 2.5

Um die Auswir­kungen des demogra­fi­schen Wandels auf die Verfüg­barkeit und den Verbrauch von Blutpro­dukten zu unter­suchen, startete Eichler gemeinsam mit weiteren Forschern eine Studie. »Zur Durch­führung bot sich das Saarland als Modell­region besonders an, da dort der demogra­fische Wandel in Westdeutschland am schnellsten voran­schreitet«, erläutert Eichler die Hinter­gründe. Eine vergleichbare Unter­su­chung wird bereits seit einigen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt.

Die Autoren der Studie haben über 40.000 Bluttrans­fu­sionen und 43.000 Blutspenden aus dem Saarland im Jahr 2017 ausge­wertet. Dabei unter­suchten die Forscher die Alters­struktur von Trans­fu­si­ons­emp­fängern und Blutspendern und erstellten eine Hochrechnung für die Blutver­sorgung im Jahr 2030. So zeigt sich, dass der aktuelle Blutbedarf pro 1000 Einwohner von weniger als 20 Trans­fu­sionen bei den unter 50-Jährigen auf 140 Trans­fu­sionen bei den über 80-jährigen Patienten ansteigt. »Das liegt am hohen medizi­ni­schen Versor­gungs­niveau auch bei älteren Patienten in Deutschland«, erläutert Eichler. Bei gleich­blei­bender Spenden­be­reit­schaft wird dies im Jahr 2030 aber zu einer erheb­lichen Unter­ver­sorgung mit Blut führen. »Dies liegt daran, dass die Baby-Boomer-Generation, also die gebur­ten­starken Jahrgänge in den 1950er und ‑60er Jahren, die momentan noch zu den Spendern zählt, in einigen Jahren aber selbst verstärkt auf Bluttrans­fu­sionen angewiesen sein wird«, erläutert Eichler. »Die Ergeb­nisse dieser und vergleich­barer Studien zeigen eindeutig, wie wichtig es ist, dass insbe­sondere jüngere Menschen regel­mäßig zur Blutspende gehen, um den aktuellen und künftigen Blutbedarf decken zu können«, unter­streicht der Experte.

Aktuell habe auch die Corona-Pandemie Auswir­kungen auf die Spenden­be­reit­schaft und damit auf die Verfüg­barkeit von Blutpro­dukten. »Viele gehen aus Sorge vor einer Anste­ckung mit dem Corona­virus SARS-CoV‑2 nicht zur Blutspende. Die Blutspen­de­dienste haben ihre ohnehin schon strengen Hygie­ne­maß­nahmen jedoch nochmals verstärkt, sodass gesunde Spenden­willige ohne Sorgen zur Blutspende gehen können«, so Eichler.

Der DGTI-Experte erwartet für die nächsten Jahre erheb­liche Engpässe in der regio­nalen Blutver­sorgung. »Wir benötigen dringend ein bundes­weites Monitoring, um festzu­stellen, wo Blutkon­serven benötigt werden und wo noch Einspar­po­ten­ziale bestehen«, sagt Eichler. Auch den Kliniken muss es möglich sein, den künftigen Bedarf besser als bisher abzuschätzen zu können. Dann werde auch in Zukunft jeder Patient die Bluttrans­fusion erhalten, die er dringend benötigt. »Parallel dazu ist es wichtig, vor allem bei jüngeren Menschen für das Blutspenden zu werben, wozu wir den Weltblut­spen­dentag als Anlass nutzen«, erläutert der Experte.

Textquelle: Sabrina Hartmann, Deutsche Gesell­schaft für Trans­fu­si­ons­me­dizin und Immun­hä­ma­to­logie (DGTI)

Bildquelle: (oben) Setzen der Nadel, Foto: Andreas Faessler, wikipedia.org, Lizenz: CC BY-SA 4.0