Studie zur tiefen Hirnstimulation bei Parkinson
Mehrere Studien haben bereits einen Effekt der tiefen Hirnstimulation bei Parkinson-Patienten nachgewiesen, verglichen wurde das interventionelle Verfahren allerdings immer mit der bestmöglichen medikamentösen Therapie, so dass Placeboeffekte nie eingeschätzt werden konnten. Eine aktuelle Studie [1] verglich nun erstmals die tiefe Hirnstimulation mit einer Schein-Stimulation. Im Ergebnis profitierten die Patienten klar von der „echten“ Therapie, sie hatten mehr tägliche symptomfreie Zeit und eine deutlich höhere Lebensqualität.
Die tiefe Hirnstimulation („deep brain stimulation“/DBS) mit stereotaktischer Implantation von Elektroden stellt seit Jahren eine etablierte Behandlung der Parkinson-Erkrankung dar, da sie die motorischen Symptome der Erkrankung verbessern kann. Stimuliert wird dabei ein Kerngebiet im Zwischenhirn, der sogenannte Nucleus subthalamicus. Schon zuvor war über Therapieerfolge des Verfahrens berichtet worden, allerdings wurde der innovative Behandlungsansatz bislang nur mit der medikamentösen Therapie verglichen. „Dadurch ließ sich der Placeboeffekt nie abschätzen, da die Patienten natürlich wussten, ob sie das interventionelle Verfahren erhalten hatten oder nicht“, kommentiert Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN.
Die aktuell veröffentlichte INTREPID-Studie [1] ist die erste doppelblind randomisierte, Sham-kontrollierte Studie. Die Studie wurde an 23 Behandlungszentren der USA durchgeführt und schloss im Zeitraum 2013–2017 insgesamt 313 Parkinson-Patienten zwischen 22 und 75 Jahren ein, deren Erkrankungsdauer mindestens fünf Jahre betrug und die seit mindestens 28 Tagen eine stabile medikamentöse Parkinsontherapie erhielten. Eingesetzt wurde die neuere MICC-Technologie („multiple independent contact current-controlled“), mit der die Stromstöße kontrollierter appliziert werden können als mit der herkömmlichen Methode. Allen Teilnehmern wurden beidseitig DBS-Elektroden in den Nucleus subthalamicus implantiert. Es wurden zwei Gruppen computergestützt randomisiert. Die elektrische Stimulation erfolgte über drei Monate entweder aktiv mit therapeutischer Dosierung der Stromdosis (Verumgruppe) oder mit einer subtherapeutischen Stimulationsdosis (Sham-/Kontrollgruppe). Nur der Programmierer wusste, mit welcher Stärke ein Patient stimuliert wurde. Das primäre Outcome war der Unterschied der täglichen Symptomkontrolle ohne störende Dyskinesien zwischen den Gruppen (mittlere Veränderung vom Ausgangsbefund bis nach drei Monaten, ohne dass eine Dosisanhebung der Medikamente notwendig wurde. Nach den drei Monaten begann die fünfjährige Studienphase, in der alle Patienten eine Stimulation im therapeutischen Bereich erhalten.
Die nun vorliegende Zwischenanalyse basiert auf den ersten 160 randomisierten Patienten nach insgesamt einem Jahr. 121/160 Patienten (76%) waren in der aktiven- und 39/160 (24%) in der Kontrollgruppe (Verhältnis 3:1). Nach der dreimonatigen Verblindungsphase war der Unterschied hinsichtlich der Symptomkontrolle (gemessen in Stunden der sogenannten „On-Phasen“ mit guter Symptomkontrolle gegenüber „Off-Phasen“ mit starken Symptomen, gemäß Patiententagebuch) signifikant: Er betrug in der Verumgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe mehr als drei Stunden täglich (p<0,0001). „Dieser Unterschied ist für die Lebensqualität der Betroffenen sehr bedeutsam. Es macht viel aus, ob ich pro Tag drei ‚gute‘ Stunden ohne ausgeprägte Parkinsonsymptome mehr oder weniger habe. Die Wirksamkeit des Verfahrens ist also als sehr hoch einzustufen“, so erklärte Prof. Dr. Günther Deuschl, Seniorprofessor an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel, der in Deutschland als einer der führenden Experten der Tiefenhirnstimulation bei M. Parkinson gilt.
Die Studie erbrachte auch keine neuen Sicherheitssignale. Es kam in den drei Monaten bei 20 Patienten (=13%) zu 26 schwereren unerwünschten Ereignissen, 18 in der aktiven und acht in der Kontrollgruppe – was in etwa dem 3:1‑Verhältnis der Randomisierung entsprach. Am häufigsten waren dabei Hämatome, Wundheilungsstörungen bzw. Infektionen. Es gab einen Todesfall unter den 196 Patienten vor der Randomisierung, der aber nicht mit der Behandlung im Zusammenhang stand. Durch die Stimulation selbst gab es keine schweren unerwünschten Ereignisse.
„Die Studie zur subthalamischen DBS mittels der MICC-Technologie ist die erste DBS-Studie, die doppelblind und Sham-kontrolliert durchgeführt wurde. Sie liefert somit erstmals Daten der Evidenzklasse 1 zur Sicherheit und klinischen Wirksamkeit der subthalamischen DBS bei der Behandlung motorischer Parkinson-Symptome“, kommentiert Prof. Deuschl. „Die Patienten zeigten einen deutlichen Nutzen dieser Therapie hinsichtlich der Verbesserung der Parkinson-spezifischen Bewegungsstörungen und der Lebensqualität. Die Studie stellt somit einen Meilenstein dar und wird dazu beitragen, die tiefe Hirnstimulation weltweit weiter zu etablieren.“
Wichtig sei nun, die 5‑Jahres-Ergebnisse abzuwarten und den Langzeiteffekt zu evaluieren. Weitere Studien sind darüber hinaus wichtig, um den Effekt und die Sicherheit verschiedener Stromstärken zur Stimulation zu untersuchen.
Literatur: [1] Vitek JL, Jain R, Chen L et al. Subthalamic nucleus deep brain stimulation with a multiple independent constant current-controlled device in Parkinson’s disease (INTREPID): a multicentre, double-blind, randomised, sham-controlled study. Lancet Neurol 2020; 19: 491–501
Originalpublikation: https://doi.org/10.1016/S1474-4422(20)30108–3
Textquelle: Dr. Bettina Albers. Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
Bildquelle: Stereotaxiegerät zur Platzierung einer Stimulationselektrode, Autoreninformationen ansehen, Lizenz: CC BY-SA 3.0